Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
derweil stopft mir die feixende Nahrungsmittelindustrie ein beliebiges Billigprodukt in den Rachen.
Billig – darauf kommt es an! Die Industrie will in das, was sie mir teuer verkauft, möglichst wenig Geld und Arbeit investieren. Kunstkäse erscheint da als die ideale Lösung: Er lässt sich mit ein paar Handgriffen zusammenrühren statt lange reifen zu müssen.
Wie kann es sein, dass ich als Kunde für die Lebensmittelindustrie offenbar Freiwild bin? Wie kann es sein, dass dieselbe Staatsmacht, die Geldfälscher mit aller Macht verfolgt, den Lebensmittelfälschern nur Kieselsteine in den Weg legt?
Offenbar ist es der Lebensmittelindustrie über ihre mächtige Lobby gelungen, den Gesetzgeber wie einen Schoßhund an die Leine zu nehmen: Er bellt, aber er beißt nicht! Höchste Zeit, dass die hinters Licht geführten Verbraucher aufstehen, die Fälschungen anklagen und eine neue Form von »Schinkenklopfen« einführen – auf die Finger der Lebensmittelindustrie. Sofern es sich dabei nicht um Würstchen-Imitate handelt …
Der falsche Lachs
Ich schlendere an einem Tiefkühlregal entlang und bestaune Fischarten, die kein Biologe kennt. Die schmackhaft klingenden Namen wurden nur zu einem Zweck erfunden: den Verbraucher zum Kauf zu verlocken.
Als Hobbyangler kenne ich jeden Fisch, der durch Flüsse, Seen und Meere schwimmt. Doch eine Fischart namens »Lachsforelle«, wie sie hier vor mir im Kühlregal liegt, ist mir noch nie begegnet – nicht in den Fischlexika und erst recht nicht am Angelhaken.
Der Name »Lachsforelle« klingt nach einer appetitlichen Mischung aus der heimischen Forelle, einem Fisch der klaren Bergbäche, und dem atlantischen Lachs, einem Weltenbummler. Der Lachs schwimmt zur Fortpflanzung über Tausende von Kilometern in seinen Geburtsfluss zurück, den er zielsicherer findet als jedes Navigationssystem. Mit akrobatischem Geschick überspringt er sogar Wasserfälle, um seine Laichreviere in den Oberläufen zu erreichen.
Der Lachs gilt als König der Fische, auch auf dem Teller – eine Delikatesse für Festbankette. Solche Assoziationen hat der ahnungslose Verbraucher im Kopf, wenn er nach der »Lachsforelle« greift.
Aber dieser Name ist ebenso unseriös, als priese man ein gewöhnliches Schwein als »Rehschwein« oder eine gewöhnliche Pute als »Wachtelpute« an – wobei diese Namen sofort als PR-Gags durchschaut würden (Landtiere kennt man!), während der Schwindel bei Fischen durchgeht (niemand schaut unter Wasser!).
Wenn Sie die »Lachsforelle« kaufen – was bekommen Sie dann auf den Teller? Nicht mal eine einheimische Bachforelle. Man speist Sie ab mit der amerikanischen Billigvariante, der leicht zu züchtenden Regenbogenforelle. Der Fisch, den Sie essen, ist mit Tausenden von Artgenossen in einem winzigen Becken gemästet und dann industriell verarbeitet worden.
Der Name »Lachsforelle« wird durch die rote Fleischfarbe gerechtfertigt. In der Natur weist rotes Forellenfleisch auf gute Wasserqualität hin. Nur wo das Wasser klar ist, kommt der rote Bachflohkrebs vor, der als natürliche Nahrung das Fleisch der Fische färbt. Die Lachsforelle im Kühlregal ist auf unromantische Weise errötet: durch industriell gefertigtes Trockenfutter mit rotem Farbstoff. Je röter das Fleisch, desto mehr Farbstoffe hat der Fisch gefressen.
Wer sich so richtig den Appetit verderben will, der sollte sich die Brustflossen dieser Forellen einmal genauer ansehen: In der Natur sind sie so groß wie die Blätter einer jungen Birke. Doch in der Zucht, wo die Fische so dicht gedrängt stehen, dass man übers Wasser laufen könnte, bleiben diese Flossen so rudimentär, als würde es sich um Contergan-Forellen handeln.
Die Lachsforelle ist jedoch nicht der einzige Schummelfisch im Kühlregal. Ein kleines Stück weiter stoße ich auf den »Alaska-Seelachs«. Der Name klingt vielversprechend: ein exklusiver Meeres lachs! Verblüfft registriert man den Preis: Ein Kilo tiefgefrorene Filets kostet nicht mal fünf Euro.
Was der Kunde nicht ahnt (es sei denn, er ist Angler!): Der »Seelachs« gehört – im Gegensatz zur Regenbogenforelle – nicht einmal zur Familie der Lachsartigen, »Salmoniden« genannt. Sein Name ist ein PR-Gag. In Wirklichkeit handelt es sich um einen dorschartigen Fisch, der auf den bodenständigen Namen Köhler hört. Ein Massenfisch.
Nur weil »Köhler« nach Kohle klingt, nach Arme-Leute-Essen, wird er von der Industrie in Seelachs umgetauft. Während der Kunde meint, eine
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