Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
erreicht hat, stürzen sich Angestellte des Geschäfts auf ihn, kippen seinen Wagen um und flitzen mit den sorgfältig ausgewählten Produkten zurück zu den Regalen.
Gibt’s nicht, sagen Sie? Gibt’s doch – beim Online-Einkauf.
Immer wieder passiert es mir, dass ich zwar meinen virtuellen Einkaufswagen gefüllt, aber auf dem Weg zur Kasse ein Bein gestellt bekomme. So erst neulich, als ich am Ende einer Bestellung ein Kontaktformular ausfüllte, als Nutzernamen »Martin Wehrle« angab und den »Weiter«-Button anklickte. Doch der Software-Sheriff verstellte mir den Weg: »Dieser Nutzername wird bereits verwendet. Bitte geben Sie einen neuen Namen ein.« Sollte ich, Martin Wehrle, mich jetzt »Martin Müller-Schulze« nennen? Also gut, ich probierte es mit »Martin W.« – »Wird schon verwendet.« Ich seufzte und bot dem Shop das Du an: »Martin«. Der Sheriff blieb hart: »Wird schon verwendet.« Wie wäre es mit einem alten Tucholsky-Pseudonym: »Theobald Tiger« – »Wird schon verwendet.« In drei Teufels Namen! Mein Einkaufswagen war voll. Ich wollte zur Kasse. Aber der Online-Shop ließ mich einfach nicht durch. Warum, um alles in der Welt, musste ich überhaupt einen »Nutzernamen« eingeben? Reichte es nicht, dass ich mich unter meinem realen Namen einloggte? Und muss es nicht möglich sein, dass sich zwanzig Martin Wehrles und zehntausend Dieter Müllers unter demselben Namen eintragen, wenn jeder ein anderes Passwort verwendet?
Die Online-Kunden-Folter findet in tausenderlei Varianten statt, sie reichen bis zum Absurden; ein Online-Shop gab mir die lapidare Auskunft: »Ihr Wohnort existiert nicht. Bitte prüfen Sie Ihre Eingabe.« Gewissenhaft tippte ich Ort und Postleitzahl ein zweites Mal ein. Mit demselben Resultat.
Verstohlen trat ich vor den Spiegel: War meine Haut vielleicht grün? War ich ein Außerirdischer, der auf seinem eigenen Planeten lebte? Nein, mein Kopf war leicht gerötet – vor lauter Wut über einen solchen Umgang mit Kunden!
Eine halbe Stunde hatte ich investiert, um mich durch den Online-Shop zu arbeiten, mich selbst – mangels Beratung – über Produkte schlau zu machen und meinen Einkaufswagen zu füllen. Und jetzt wurde mir der Weg zur Kasse versperrt.
Was tun? Ich öffnete ein neues Browserfenster. Vielleicht ließ sich eine Service-Telefonnummer auftreiben, ein Mensch, der das technische Hindernis beseitigen und mich retten würde. Doch ich fand nur eine Postanschrift und eine E-Mail-Adresse. Die Chance, innerhalb der nächsten Minuten eine Auskunft zu bekommen, war geringer als die auf einen Lottogewinn.
Also griff ich in die Trickkiste: Ich nannte anstelle meiner Hauptgemeinde (Jork), die eigentlich meine Postanschrift stellt, die kleine Untergemeinde (Moorende). Nicht akzeptiert! Ich versah meine Hausnummer mit den Zusätzen A, dann B und C. Nicht akzeptiert! Ich variierte die Schreibweise des Ortes (»York«). Nicht akzeptiert!
Vor lauter Wut hätte ich diesem Internet-Shop am liebsten eine Hackerbande auf den Hals gehetzt. Aber wahrscheinlich war das Chaos, das jetzt schon auf der Seite herrschte, durch eine Attacke nicht zu vergrößern.
Gerade wollte ich den Bestellvorgang abbrechen und mich wütend aus dem Online-Shop verabschieden, da fiel mir ein fast unsichtbarer Unterpunkt auf: Vor den Adressdaten befand sich im Kontaktformular eine unauffällige Liste mit Ländern. Und welches Land war voreingestellt? Afghanistan! Ein deutscher Internet-Shop bietet nicht etwa Deutschland als Voreinstellung an, sondern Afghanistan, weil es im Alphabet ganz vorne steht! Auf diese Weise bin ich als Kunde chancenlos: Keine Fehlermeldung weist mich auf die Länderliste hin.
Eine weitere Hürde auf dem Weg zur Kasse: die Zahlungsdaten. Nach ihnen fragen die Anbieter immer erst am Ende. Da bin ich altmodisch: Ich zahle niemals mit Kreditkarte. Immer nur gegen Rechnung. Oder per Bankeinzug. Doch oft bekomme ich einen Tritt vors Schienbein: Als Neukunde kann ich nicht auf Rechnung bezahlen. Und auch nicht per Bankeinzug. Nur mit Kreditkarte – oder per teurer Nachnahme.
Natürlich steht es jedem Online-Shop frei, zu welchen Zahlungskonditionen er liefert. Aber wäre es nicht fair, mich schon zu Beginn des Bestellvorgangs auf die Zahlungskonditionen hinzuweisen? Am Ende, wenn ich schon viel Zeit in den Einkauf investiert habe, gleichen die Zahlungsbedingungen einer Erpressung: Entweder schlucke ich den Vorschlag des Anbieters oder meine ganze Einkaufsmühe war
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