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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Delikatesse zu kaufen, wird ihm ein zweitklassiger Speisefisch untergejubelt. Das ist so, als würde man Ihnen eine Kon zertkarte für Bruce Springsteen verkaufen, während im Konzert dann ein Dorfjodler auf die Bühne springt, dem der Name angedichtet wurde. Rechtlich handelte es sich um eine »arglistige Täuschung«, und jeder Konzertbesucher könnte seinen Karten-Kaufvertrag anfechten und das Eintrittsgeld zurückverlangen.
    Also probiere ich es im Supermarkt: Mit einem Beutel angetauter Köhlerfilets, die ich am Vortag gekauft habe, tauche ich in der Filiale auf. Die Dame an der Kasse kassiert noch zwei Kunden ab, ehe sie sich mir zuwendet: »Was kann ich für Sie tun?«
    »Ich möchte meinen Seelachs zurückgeben.«
    Sie schaut verblüfft: »Warum das denn?«
    »Da war kein Seelachs drin in der Packung.«
    Sie schüttelt den Kopf, greift den Beutel und schaut hinein: »Ich weiß nicht, was Sie haben: Die Filets sind da drin. Das müssen Sie doch sehen.«
    »Das sind aber keine Seelachs-Filets. Das ist ein anderer Fisch – der Köhler.«
    »Und woher, um Himmels Willen, wissen Sie das? Ein Filet sieht doch aus wie das andere!«
    »Es gibt keinen Seelachs. Dieser Name ist eine Erfindung. In Wirklichkeit sind das Köhler, keine Lachse. Das können Sie nachlesen.«
    Vor ihrer Kasse hat sich derweil ein kleiner Stau gebildet. Die Kassiererin ruft den Marktleiter und deutet mit einer wegwerfenden Handbewegung auf mich.
    Der Marktleiter, ein hagerer Brillenmensch, hört sich meine Argumentation an. Dann antwortet er: »Das ist doch klar, dass die Hersteller selbst entscheiden dürfen, wie ihre Produkte heißen. ›Nutella‹ kommt doch in der Natur auch nicht vor.«
    Ich atme tief durch: »Aber Sie dürfen doch auch kein Schwein als Schaf verkaufen. Und keine Erdbeere als Himbeere. Warum dann einen Köhler als Seelachs?«
    Er schüttelt den Kopf: »Tut mir leid, wir verkaufen dieses Produkt seit vielen Jahren. Ich kann den angetauten Seelachs nicht zurücknehmen.«
    Die umstehenden Kunden schütteln die Köpfe. Offenbar richtet sich ihr Ärger nicht gegen den Supermarkt, sondern gegen mich. Ich gebe auf – nicht ohne Hinweis darauf, dass auch der »Seehecht« im Kühlregal ein Schummelprodukt ist. In Wirklichkeit heißt er »Hornhecht«. Aber wer würde bei diesem Namen schon zugreifen?

7. Abserviert im Internet: Service-Stopp im Online-Shop

I m Internet ist der Kunde ein armer Hund. Er wird von den Firmen als Mädchen für alles eingespannt: als Produktkritiker, als Software-Update-Mechaniker, als Berater seiner selbst. Dieses Kapitel verrät Ihnen …
warum die Stiftung Warentest, Abteilung Internet, in meinem Wohnzimmer residiert,
warum der Online-Einkauf immer noch einem Hindernisparcours gleicht,
wie sich ein E-Book bei den Kunden in Luft auflöste,
und mit welchen Spionage-Methoden die Internet-Firmen Ihre intimsten Geheimnisse durchschnüffeln.
    Ich, die Stiftung Warentest
    Früher war ich als Kunde derjenige, dessen Bitten von den Firmen erfüllt wurden. Heute läuft es umgekehrt: Die Firmen bombardieren mich mit ihren Wünschen. Mit einer Penetranz, die jeden Stalker übertrifft, werde ich nach Internet-Einkäufen von den Verkaufs-plattformen getriezt: »Bitte bewerten Sie Ihren Verkäufer!« Wenn ich mich weigere, mahnt man mich: »Bitten denken Sie daran …«
    Die Stiftung Warentest ist umgezogen: Sie residiert jetzt in meinem Wohnzimmer. Ich darf urteilen über alles, was ich kaufe, ob Rasenmäher oder Roman, ob Brotmesser oder Schlagbohrer, Strandkorb oder Angelrute. Lobe ich ein Produkt, kaufen die anderen Kunden. Bemängle ich es, wird es ein Ladenhüter.
    In den ersten Internet-Jahren sang ich beim Konzert der Hobbykritiker als Solist mit, bewertete jeden meiner Verkäufer und kommentierte seine Waren und Umgangsformen. Ich klang so, wie fast alle Feierabend-Rezensenten der Großfamilie eBay klingen: »Absolut empfehlenswert. Ware wie beschrieben. Liefert pünktlich. Jederzeit wieder.«
    Aber was, bitteschön, hatte ich mit diesen Phrasen eigentlich gesagt? Ist es nicht selbstverständlich, dass jemand, der dafür gutes Geld bekommt, die versprochene Ware pünktlich liefert? Außerdem schrieb ich meine Bewertungen direkt nach Erhalt der Ware. Aber was ist ein Lob für den schönen Pulli wert, wenn er sich bei der ersten Wäsche in einen Wollklumpen verwandelt? Und was ist ein pünktlich gelieferter Laptop wert, wenn die Tastatur schon nach sechs Wochen in ihre Einzelteile zerfällt?
    Solche

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