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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Reinfälle traten immer mit Verzögerung auf. Danach dachte ich an alles Mögliche, vor allem an Reklamations-Mails an die Verkäufer. Aber niemals habe ich meine Bewertungen revidiert.
    Ein schlechter Kritiker war ich auch in anderer Hinsicht: Was qualifiziert mich, einen technischen Laien, eigentlich dazu, die Qualität eines Rasenmähers, einer Bratpfanne oder eines Computers zu bewerten?
    Als Kunde kann ich nur eines leisten: vor offensichtlichem Betrug warnen, vor Zeitgenossen, die sich Geld für Waren überweisen lassen, von denen nicht mehr als ein Foto existiert, oder vor Produktmängeln, die mich schon beim Öffnen des Paketes anspringen. Mehr nicht. Aber ist es nicht Sache der Verkaufsplattform selbst, ihre Kunden vor Betrug und vor Mogelware zu schützen?
    Schon vor einigen Jahren deckte die Mainzer Johannes-Gutenberg-Universität die Fehlbarkeit der Hobbykritiker auf: Man nahm den Markt für Parfüm bei eBay unter die Lupe. Dabei stieg ein Etikettenschwindel in die Nase: Rund 85 Prozent der verhökerten Parfüms wurden als plumpe Fälschungen entlarvt. Und nur sieben von hundert Parfüms ließen sich als Originale identifizieren. 65
    Und wie hatten meine Kollegen, die Hobbykritiker, geurteilt? Hatten sie ein feines Näschen für den Parfümschwindel bewiesen? Im Gegenteil: 99 Prozent der Käufer von Fälschungen zeigten mit dem Daumen nach oben. Unglaublich! Betrogene empfehlen Betrüger. Denn sie wissen nicht, was sie tun! Fachleute dagegen konnten die falschen Düfte blitzschnell und sicher enttarnen.
    Niemand käme auf die Idee, einen Hobby-Feuerwehrmann zu rufen, wenn der Dachstuhl brennt. Oder sich von einem Hobby-Zahnarzt behandeln zu lassen, wenn ihn ein akuter Zahnschmerz befällt. Aber die Unternehmen lassen es zu, dass sich ihre Kunden nach dem Urteil der Hobby-Kritiker richten.
    Und wer garantiert eigentlich, dass positive Bewertungen nicht vom Verkäufer selbst auf den Weg gebracht werden? Während ein Profi-Kritiker mit seinem guten Namen für seine Rezension einsteht, tummeln sich im Internet Millionen Pseudonyme. Jeder, der in der Lage ist, sich einen E-Mail-Account einzurichten, kann unter beliebigen Namen im Konzert der Kritiker mitsingen.
    Man nehme die Hotel-Bewertungs-Portale. Unter Kennern der Branche ist es ein offenes Geheimnis, dass viele Hotel-Azubis den halben Tag damit verbringen, ihren Ausbildungsort im Internet schön zuschreiben. Die letzte Baracke wird hochgejubelt zur »schmucken Unterkunft«, die letzte Servicehölle zum »gästefreundlichen Haus«.
    Negative Kritiken müssen nicht ehrlicher sein. Woher weiß ich eigentlich, dass die vernichtende Kundenrezension eines Fachbuchs nicht vom Konkurrenzverlag initiiert wurde?
    Aber gibt es nicht eine ruhmreiche Ausnahme: die Kundenrezensionen auf dem Buchportal von Amazon? Dort gibt es ein Ranking. Je mehr Kritiken jemand verfasst, je besser er von den Lesern bewertet wird, desto weiter steht er vorne. Müssen die gut Platzierten nicht ähnlich professionell arbeiten wie Berufskritiker?
    Aber wie ist es dann möglich, dass fast alle »Hobby-Starkritiker« pro Woche vier, sechs, ja manchmal sogar ein Dutzend Bücher besprechen? Offensichtlich schreiben sie über Bücher, die sie nur durchgeblättert haben. Das ist so, als würde ein Restaurantkritiker nicht essen, sondern nur am Teller schnuppern.
    Kein Vorwurf an die fleißigen Hobby-Kritiker – sie füllen unter Einsatz ihrer Freizeit das Beratungsvakuum. Aber wer profitiert davon und lacht sich ins Fäustchen? Die Internet-Firmen! Sie sparen sich nicht nur jene Kundenberatung, die der stationäre Fachhändler leisten muss. Sie sparen sich auch gleich ihr Fachpersonal.
    Statt dass professionelle Kritiker dem Kunden eine seriöse Orientierung bieten, statt dass die Firmen die Betrüger auf ihren Plattformen selber aussortieren, soll’s der Kunde richten. König Arsch ist Qualitätskontrolleur, Fachrezensent und Sicherheitsdienst in Personalunion. Doch während er, der Kunde, für jedes Produkt bezahlen muss, bekommt er für sein eigenes Produkt, die Bewertung, nicht einen Cent. Mehr noch: Mit der Veröffentlichung einer Rezension tritt er die Rechte meist an jene Firma ab, die damit künftig Kunden berät. Oder Beratung vortäuscht.
    Wenn ich den Service solcher Firmen bewerten muss, kennt mein Daumen nur eine Richtung: steil nach unten.
    Absturz vor der Kasse
    Stellen Sie sich vor, ein Kunde nähert sich mit vollem Einkaufswagen der Kasse. Doch ein paar Sekunden, ehe er sie

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