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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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vergeblich.
    Böse Überraschungen können sich sogar dann noch einstellen, wenn ich den Bestellvorgang schon für abgeschlossen halte – wie einmal bei einem Wein-Portal. Ich hatte alle Hürden in mühseliger Kleinarbeit genommen, meinen Einkaufswagen eine ganze Stunde lang liebevoll mit einer Jahresration bepackt und wollte nun mit einem letzten Klick die Bestellung auf den Weg bringen. Doch da ploppte ein Kasten auf: »Sie haben die Sitzungsdauer überschritten. Aus Sicherheitsgründen wird der Bestellvorgang abgebrochen.« Weinen statt Wein!
    Oder liegt das alles an mir? Bin ich ein patentierter Internet-Tölpel, der durchs Web stolpert wie ein Neandertaler durch New York? Nein! Ich war selbst Chefredakteur eines großen Online-Verkaufsportals, daher kenne ich das Medium sowie die einschlägigen Zahlen aus erster Hand. Etwa jeder dritte Neukunde kommt den Anbietern auf dem Weg zur Kasse abhanden.
    Kundenfreundlichkeit ist auch im Internet noch immer ein Fremdwort. Ich kann mich noch gut an die Diskussionen mit Programmierern und Technikfreaks erinnern, bei denen es Sätze hagelte wie: »Aber die Kunden müssen mitdenken!« oder »Die fehlende Software kann er sich doch runterladen« oder »Jeder hat doch heute einen ISDN-Anschluss!«
    Die Eingeborenen der Computerwelt tun so, als müsse auch der Kunde über ihre Landeskenntnis verfügen – als hätte er Spaß daran, beim Bestellvorgang nebenbei auch noch ein paar knifflige Computerprobleme zu lösen. Das geht los bei Unhöflichkeiten, etwa wenn die Formulare erst nach dem Wohnort fragen (ich trage »21635 Jork« ein) und dann nach der Postleitzahl (ich springe wieder nach oben, lösche die Postleitzahl und tippe sie unten erneut ein). Das geht weiter mit Erpresserspielchen, wenn ich beispielsweise zwingend meine Telefonnummer angeben muss, damit der Bestellvorgang abgeschlossen werden kann (warum muss ein Buch- oder Korkenzieher-Versender meine Telefondaten kennen?). Und es gipfelt darin, dass von Durchschnittskunden Computerkenntnisse erwartet werden, die einfach nicht vorhanden sind, etwa wenn die Navigation einem Irrgarten gleicht oder vor Downloads rätselhafte Fachfragen nach den Grundinstallationen des Computers gestellt werden.
    Der Weg zur virtuellen Kasse: Er ist ein Hürdenlauf, eine Zumutung, ein Symptom dafür, wie weit die Online-Anbieter von mir als Kunden entfernt sind. Der Kunde ist nur noch ein E-Mail-Account, ein virtueller Sklave, der sich beim Bestellen selbst beraten, die komplette Logistik-Arbeit mit erledigen und auch noch einen Daten-Striptease hinlegen soll.
    Wer in einem Online-Shop einkauft, geht ins Netz. Oft im doppelten Sinne!
    Gute Nacht, Deutsche Bahn!
    Fahrkarten können ja so günstig sein! Wenn man sie online kauft. Immer wieder locken mich die »Sparpreise« der Deutschen Bahn. Aber mit ihnen verhält es sich so wie mit bildhübschen Frauen oder Männern, die einem bei der Partnersuche begegnen: Wenn man sich ihnen nähert, stellt man fest – sie sind schon vergeben. Offenbar liegt das Kontingent im homöopathischen Bereich. Statt der Prinzessin, die ich küssen wollte, springt mir eine Kröte ins Gesicht: der reguläre Fahrpreis.
    Aber einen Vorteil hat der Fahrkartenkauf im Internet dann doch: Er gelingt mir vom Schreibtisch aus. Dachte ich. Bis zum 7. Juli 2011. Um 10 Uhr vormittags wollte ich schnell eine Fahrkarte für eine Fernreise am nächsten Tag kaufen. Geduldig quälte ich mich durch den Bestellvorgang, bis ich das Zahlungsformular erreicht hatte. Ich gab meine Daten fürs Lastschriftverfahren ein und wollte die Fahrkarte bestellen.
    Doch die Bahn ließ ihre Schranken runter: Sie grenzte mich vom Lastschriftverfahren mit dem Hinweis aus, es bestehe für mich »eine Sperre«. Eine Sperre? Nur für mich? Wie bitte? Ich ärgerte mich, war aber sicher, dieses Missverständnis würde sich im Laufe des Tages klären lassen – und schrieb eine Mail:
    Sehr geehrte Damen und Herren,
    gerade wollte ich mich für das Lastschriftverfahren beim Online-Fahrkarten-Kauf anmelden. Dabei wurde mir folgende Auskunft erteilt:
    Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde,
    Ihrem Wunsch, Fahrkarten online per Lastschriftverfahren zu erwerben, können wir leider nicht entsprechen. Es besteht bereits eine Sperre bzgl. des telefonischen Fahrkartenverkaufs im ReiseService für das Lastschriftverfahren. Zur Klärung dieser Angelegenheit wenden Sie sich bitte an das Serviceteam
    Forderungsmanagement …
    Da ich alle meine Rechnungen – auch

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