Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
strahlend, dass die Qualität der Maschinen immer mehr nachlasse: »Das ist ja gut für mein Geschäft!« Als Kunde sehe ich das etwas anders!
Das größte Problem, wenn man einen Handwerker ruft: Man ist oft in einer Notlage. Das Badezimmer ist überschwemmt, das Auto springt nicht an, der Haustürschlüssel ist abgebrochen. Oder das Gefrierfach taut so schnell ab, dass die tiefgekühlten Fische gleich davonschwimmen.
Ein Auftrag, der unter solchen Voraussetzungen zustande kommt, ist ein Hilferuf. Und wer als Handwerker einem Ertrinkenden die Hand hinstreckt, hat zwei Möglichkeiten: Er kann seine Standesehre wahren. Oder er nutzt die Notlage aus wie ein Gelegenheitsdieb, indem er unverschämte Bedingungen stellt.
Vor der Industrialisierung war das anders: Damals stellten die Handwerker noch Güter für den täglichen Bedarf her. Der Tischler zimmerte Möbel, der Werkzeugmacher schmiedete Hämmer, der Bootsbauer fertigte Schiffe. Doch mit dem Aufkommen von Fabriken, die schneller und billiger produzierten, wurde der Handwerker zum Feuerwehrmann: Der Unglücksfall des Kunden, zum Beispiel der Rohrbruch, wurde zum Glücksfall für ihn.
Ertrinkende sind nicht wählerisch. Wir freuen uns wie Kinder, wenn der rettende Handwerksengel endlich einfliegt, verzeihen ihm seine Verspätung und zur Not auch seine Manieren – wenn er uns nur rettet!
Also gut, mein Waschmaschinen-Elektriker bekommt einen Kaffee serviert, darf mein Gehirn mit Waschmaschinen-Anekdoten weichspülen und mit einem Habitus auftreten, als wäre ich der Dienstleister und er der Gast. Fehlt nur noch, dass er ein Stück Kuchen mit Schlagsahne ordert und sich über die falsche Dosierung meines Kaffees beschwert!
Ganz langsam, um den rettenden Engel nicht zu erzürnen, lenke ich seine Aufmerksamkeit in Richtung Waschküche: »Wollen wir uns die defekte Maschine mal anschauen?« Er zieht beleidigt eine Augenbraue hoch: »Ich trinke nur kurz aus.«
Dann folgt er mir zu dem Patienten. Die Trommel der Waschmaschine rührt sich nicht mehr. Die erste Frage des Handwerkers zeigt, für wie intelligent er mich hält: »Aber den Stecker haben Sie drinnen?« Nun packt er seinen Werkzeugkoffer aus wie ein Chirurg das Operationsbesteck, beginnt zu schrauben, zu rütteln, zu klopfen.
»Können Sie schon was sagen?«, erkundige ich mich nach den Überlebenschancen. »Nö«, sagt er – und klopft weiter. Der Handwerks-Chirurg operiert ohne Diagnose. Er schneidet den Bauch des Patienten einfach auf. Wortlos.
Nach zwanzig Minuten findet er die Sprache wieder: »Wie alt ist sie denn?«
»Fünf Jahre«, antworte ich.
»Ach so, ja dann.«
Soll das heißen, dass meine Maschine noch jung ist und zu retten? Oder will er mir sagen, dass eine Waschmaschine im biblischen Alter von fünf Jahren schon reif für den Elektrofriedhof ist? Keine Ahnung!
Eine knappe Stunde dauert es, ehe das Orakel im Blaumann hinzufügt: »Das ist ein typischer Elektrikschaden für dieses Modell. Da muss ich jetzt gleich ein Ersatzteil bei uns im Lager holen.«
Der Engel entschwindet durch dieselbe Tür, durch die er eingeflogen ist – und lässt die Maschine mit offenem Bauch auf dem OP-Tisch zurück. Nach einer Dreiviertelstunde frage ich mich: Kommt er überhaupt wieder? Nach einer Stunde läutet es!
Dasselbe Programm: Schrauben, Hämmern, Fluchen. Nach 45 Mi nuten ist das Werk vollbracht: Sie dreht sich! Der Mechaniker macht Anstalten, sich zur Feier seines Erfolgs noch auf einen weiteren Kaffee einzuladen. Doch ich schiebe ihn sanft vor die Tür, weil ich einen wichtigen Telefontermin habe. Auf der Türschwelle hält er mir noch ein knittriges Formular hin: »Hier bitte unterschreiben, dass ich bei Ihnen war.« Schon passiert.
Zwei Tage später stelle ich fest, dass sich in diesem Gewerk auch die Rechnungen gewaschen haben: Für Arbeitsleistung und Ersatzteil stellt mir die Firma 245 Euro in Rechnung – fast der Gegenwert einer neuen Maschine. Der Monteur schlägt mit drei Arbeitsstunden zu Buche. Wie bitte, drei Stunden? Die effektive Arbeitszeit lag bei zweimal 45 Minuten.
Offenbar hat das Orakel im Blaumann nicht nur unseren Kaffeeplausch als Arbeitszeit abgerechnet, sondern auch die zwischenzeitliche Rückfahrt zum Lager. Ich fühle mich über den Tisch gezogen und rufe bei der Verbraucherzentrale an. Eine freundliche Dame tröstet mich: »Wir bekommen jedes Jahr Tausende solcher Beschwerden. Diese Rechnungen sind nur Versuchsballons – zahlen sie einfach die tatsächliche
Weitere Kostenlose Bücher