König Artus
Wunden rasch.
Die Dame vom Felsen war überaus froh, und als Ewain genesen war, dankte sie ihm mit anmutigen Worten und sagte errötend: »Herr Ritter, Ihr habt Euch durch die Taten Eurer Hände jedes Geschenk verdient, das anzubieten in meiner Macht steht. Sprecht jetzt nicht, aber denkt darüber nach.«
Er dankte ihr artig, schlief ein, und als er erwachte, saß die Dame Lyne an seinem Bett. »Sir«, begann sie. »Ich habe Euch in vielen Dingen Ratschläge erteilt, in diesem Fall aber werde ich mich nicht einmischen. Ihr dürft überzeugt sein, daß die Dame vom Felsen ihr Versprechen halten wird. Ich habe ihre Miene gesehen und ihre warme Hochherzigkeit gespürt. Ihr habt, in so jungen Jahren, erreicht, was beinahe jeder Mann begehrt. Die Dame hat Ländereien und Burgen, und nun, da Ihr ihr wieder zu ihrem Eigen verholfen habt, verfügt sie über großen Wohlstand. Ich denke, Ihr wißt, an welches Geschenk sie denkt, und sie hat freie Hand, es anzubieten. Ihr müßt Euch die Sache sorgfältig überlegen. Es ist ein fürstlicher Besitz, und die Reize der Dame lassen sich nicht bestreiten. Das Leben, das sie Euch bietet, ist ein Traum vieler Männer, der unerfüllt bleibt. Bedenkt, was Euch erwartet. Ihr könnt in den Wäldern jagen, Pachten einziehen, mit den Nachbarn tjosten, nach Herzenslust schmausen und trinken und mit einer edlen Frau, die die Blüte ihrer Jahre noch nicht hinter sich hat, süßen Schlaf genießen. Und glaubt nicht, daß es ein müßiges Leben wäre. Es gibt Felder trockenzulegen und die Saaten zu hüten. Die Verwaltung eines Gutes ist keine geringe Aufgabe. Ihr habt als Grundherr Anspruch darauf, Recht zu sprechen und zu entscheiden, wer im Unrecht ist, wenn die Henne von A im Garten von B scharrt. Und wenn Jack o’ Woods, der Wilddieb, mit einem Hasen in seinem Kochtopf ertappt wird, wird es Eure Pflicht wie Euer Recht sein, Jacks Hund einen Hinterlauf abschneiden zu lassen, Jacks Kinderbrut aus seinem Heim zu weisen und an einem sonnigen Sonntagvormittag, nach dem Kirchgang, Jack mit zappelnden Füßen an einen Baum hängen zu lassen, ehe Ihr Euch an den Mittagstisch setzt und Euch danach mit dem Gefühl erfüllter Pflicht zur Ruhe begebt. Und glaubt nur ja nicht, daß Ihr ein einsames Leben führen werdet. Einmal im Jahr, mitunter auch zweimal, wird ein fahrender Ritter kommen und Euch bei gutem saurem Bier alle Neuigkeiten von Turnieren und Kriegen erzählen, berichten, was Artus spricht und tut und wie er aussieht und welche neuen Moden die Damen am Hof aus Frankreich erreicht haben.« Sie bemerkte, daß er leise lachte.
»Ihr seid eine böse Frau«, sagte Ewain.
»Ich habe nur mein der Dame gegebenes Versprechen gehalten. Ich habe zugesagt, ihre Fürsprecherin zu machen, und Ihr könnt beschwören, daß ich es getan habe.«
»Bittet sie hereinzukommen, und Ihr bleibt bitte dabei.«
Als dann die Dame vom Felsen neben seinem Bett stand, sagte er feierlich: »Madame, ich habe von Euren noblen Angeboten gehört und bin stolz darauf, daß Ihr mich ihrer würdig erfunden habt. Doch da Ihr mich mit so ausgesuchter Höflichkeit behandelt, wäre es schmählich von mir, wenn ich Euch nicht die Wahrheit sagte. Ich habe nämlich bei den vier Evangelisten und bei meiner Ritterehre geschworen, eine Ausfahrt zu vollenden. Ihr werdet mir wohl beipflichten, daß man von einem Ritter, der eines Schwurs gespottet hat, nicht erwarten darf, daß er einen andern hält. Daher, Madame, bitte ich Euch, Euer nobles Anerbieten zurückzuziehen und mir statt dessen den kleinen Ring an Eurem Finger zu schenken, damit ich ihn in notvollem Kampf, dessen Ausgang ungewiß ist, ansehen und so am allzeit brennenden Feuer der Erinnerung an Euch meinen Mut neu entflammen kann.«
Hinterher sagte die Dame Lyne zu ihm: »Ich habe Euch nur den Umgang mit Schwert und Lanze beigebracht. Diesen anderen Vorzug müßt Ihr von Eurer Mutter mitbekommen haben. Mit einer solchen Waffe werdet Ihr es weit bringen.«
Nicht lange, und sie ritten zu dem verabredeten Treffpunkt zurück, und als sie sich der dreifachen Weggabelung näherten, sagte Ewain: »Madame, Ihr habt mir unbezahlbare Geschenke gemacht. Wollt Ihr mich also um eine Gabe bitten, die zu schenken in meiner Macht steht?«
»Das will ich«, sagte sie bedächtig. »Als Gegengabe will ich Euch darum bitten, die Erinnerung an mich lebendig zu erhalten.«
»Das ist doch kein Geschenk, Madame. Ich könnte gar nicht anders, selbst wenn ich wollte.«
»Still«, sagte sie.
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