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König Artus

König Artus

Titel: König Artus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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seines Kerkers dunkle, schmierige Flecke aufwiesen. Und während sein Blick darauf ruhte, gestalteten sich Formen an den Wänden: Bäume mit gleichförmig gerundetem Geäst, an dem eine Fülle goldener Früchte hing, und Schlingpflanzen mit Blüten, offenkundig ebenso Phantasiegebilde wie die in illuminierten Büchern, ein schattenspendender Baum und darunter ein strahlend weißes Einhorn. Mit gesenktem Horn und Hals begrüßte es eine Jungfrau, aus bunten Fäden gestickt, die das Einhorn umarmte und damit ihre Jungfräulichkeit bewies. Dann erschien in einer Ecke des Verlieses das flimmernde Bild einer breiten, weichen Lagerstatt und nahm Gestalt an: ein Bett mit einem Überwurf aus Purpursamt, auf dem große Kissen lagen, anzusehen wie weich schimmernde Edelsteine. An der zum Himmel gewordenen Zellendecke bildete sich eine heraldische Sonne in schwankendem Strahlenglanz, die die Luft erwärmte.
    Sir Lancelot war ein schlichter Ritter, der nicht gelernt hatte, seinen Augen im einen Augenblick zu trauen und im nächsten nicht mehr zu glauben. Er stand auf und sah und spürte an sich ein langes, üppiges, ockergelbes Gewand, das ihm bis an die Fußknöchel reichte. Er trat an das Bett, legte sich auf die nachgebenden, weichen Polster, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah gleich darauf, wie vier reich verzierte, goldene Throne am anderen Ende des Verlieses erst schemenhaft hochstiegen und dann Gestalt annahmen, während auf dem Steinboden ein reich gewirkter Teppich wie rasch wachsendes Gras erschien.
    Ein Duft wie aus einem Riechgläschen mit Rosenblättern, Zimt, Lavendel und Weihrauch, Nardenöl und Nelken erfüllte den Raum, und die Tapisserien bewegten sich in einem linden Sommerwind, der aus dem Nirgendwoher kam.
    »Was auch geschehen wird, es wird in Behaglichkeit geschehen«, sagte Lancelot zu sich.
    Ein paar Augenblicke herrschte eine erwartungsvolle Stille, wie auf einer reich ausstaffierten Bühne, ehe das Stück beginnt, und dann stimmte ein Flöten-Ensemble, vom Baß bis zum Diskant, eine leise, sanfte Weise in einem Rhythmus an, gemahnend an das Schreiten von Prinzessinnen, die sich in einem gemessenen Zug zur Krönung eines Herrschers begeben. Von dem Verlies war nur die Tür geblieben – eine häßliche Erinnerung aus beschlagenem Eichenholz und rostigem Eisen.
    Nun ging sie von selbst auf, und die vier holden Königinnen schwebten, dem Rhythmus folgend, herein und setzten nach jedem Schritt zierlich den Fuß auf. Sie nahmen auf den Thronen Platz, anzusehen wie Wachsblumen von vollkommener Schönheit. Ihre weißen, juwelengeschmückten Hände lagen still auf den Armlehnen der Throne, und ihre Münder umschwebte ein ruhevoll-heiteres Lächeln, während sie den auf dem Bett liegenden Ritter anblickten. Die Musik verklang, und es trat eine hörbare Stille ein, wie sie aus einer ans Ohr gehaltenen Muschel dringt.
    Dann erhob sich Lancelot und entbot ihnen seinen Gruß. »Seid gegrüßt, meine Damen, und herzlich willkommen.«
    Sie antworteten unisono, wie in einer Litanei: »Seid gegrüßt, Sir Lancelot vom See, Sohn König Bans von Benwick, erster und trefflichster Ritter der Christenheit. Willkommen und viel Vergnügen.«
    »Soll ich eure Titel aufsagen, meine Königinnen?« fragte er. »Ich kenne sie gut. Ihr seid die Königin Morgan le Fay vom Lande Gore, Halbschwester des großen König Artus, Tochter des Herzogs von Cornwall und jener holden Igraine, die König Uther Pendragons Gemahlin wurde. Und Ihr seid die Königin von den Äußeren Inseln …«
    Morgan sagte: »Nicht nötig, sie alle herzusagen, wenn Ihr sie kennt.«
    Lancelot betrachtete einen Augenblick ihre vollendet geformten Stirnen, die glänzenden Augen, die glatten Pfirsichwangen.
    »Meine Damen«, sagte er dann, »wenn die hier im Dunkeln verbrachte Zeit mir nicht den Sinn verwirrt hat, war es gestern, als ich mich auf einer sonnenbeschienenen Ebene unter einem Apfelbaum zum Schlaf ausstreckte, und neben mir saß mein Neffe Sir Lyonel. Ich erwachte in einer kalten, öden Zelle als ein Gefangener, meiner Waffen und Rüstung beraubt. Bin ich Euer Gefangener?«
    »Ein Gefangener der Liebe«, sagte Morgan. Und als die anderen sich einmischen wollten, sagte sie kalt: »Schweigt, meine Schwestern! Laßt mich sprechen. Hinterher bekommt ihr dann eure Chance.« Sie wandte sich wieder Lancelot zu. »Herr Ritter«, fuhr sie fort, »setzt Euch. Ja, Ihr habt recht. Wir haben Euch gefangengenommen.«
    »Wo ist Sir Lyonel?«
    »Ihr wart

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