König Artus
macht. Ihr wart ein echter Ritter, als Ihr waffenlos, mit bloßen Händen Pellinore angegriffen habt.«
»Aber er hat mich besiegt.«
»Ihr wart ein echter Ritter«, wiederholte Merlin. »Irgendwo auf der Welt wartet auf jeden eine Niederlage. Manche werden von einer Niederlage vernichtet, andere macht ein Sieg klein und schäbig. Wer über Niederlage wie über Sieg gleichermaßen erhaben ist, in dem lebt wahre Größe. Aber Ihr möchtet ein Schwert haben. Wohlan, Ihr sollt eines bekommen. Hier in der Gegend gibt es ein Schwert, das Euer sein soll, wenn ich Euch dazu verhelfen kann.«
Sie ritten, bis sie an einen breiten See mit klarem, köstlichem Wasser kamen. Und in der Mitte des Sees sah Artus einen Arm in einem Ärmel aus reicher weißer Seide herausragen, und die Hand hielt ein Schwert an der Scheide in die Höhe. Merlin sagte: »Dort ist das Schwert, von dem ich gesprochen habe.«
Dann sahen sie ein Fräulein leichtfüßig über die Wasserfläche gehen.
»Das ist ein Wunder«, sagte der König. »Wer ist dieses Fräulein?«
»Es ist die Dame vom See«, sagte Merlin. »Und noch andere Wunder gibt es hier. Unter einem Felsen tief im See ist ein Palast, so üppig und so schön wie nur irgendeiner auf der Welt, und dort wohnt die Dame. Sie wird jetzt auf Euch zukommen, und wenn Ihr höflich seid und sie artig darum bittet, wird sie Euch vielleicht das Schwert geben.«
Dann kam die Dame herbei, entbot Artus ihren Gruß, und er grüßte sie und sagte: »Madame, sagt mir doch bitte, was ist das für ein Schwert, das ich dort im See sehe? Ich wünschte, ich könnte es erlangen, denn ich habe keines.«
Die Dame sagte: »Das Schwert gehört mir, Herr Ritter, aber wenn Ihr mir dafür ein Geschenk gebt, sobald ich darum bitte, sollt Ihr das Schwert bekommen.«
»Bei meiner Ehre, ich werde Euch jeden Wunsch erfüllen, worum Ihr mich auch bitten mögt«, sagte der König.
Die Dame sagte: »Dann soll es Euer sein. Geht zu dem Kahn, den Ihr dort seht, rudert hinaus zu dem Arm und nehmt das Schwert samt Scheide an Euch. Ich werde um mein Geschenk bitten, wenn die Zeit dafür kommt.«
Dann stiegen Artus und Merlin von ihren Pferden, banden sie an Bäumen fest, gingen zu dem Kahn und ruderten zu dem emporgestreckten Arm hinaus. Sanft faßte Artus das Schwert, die Hand gab es frei, und Hand und Arm verschwanden im Wasser. Und die beiden ruderten zurück ans Ufer, stiegen auf ihre Pferde und ritten davon.
Unterwegs kamen sie an einem reichverzierten Zelt vorbei, das nahe dem Pfad stand, und Artus erkundigte sich danach.
»Wißt Ihr nicht mehr?« sagte Merlin. »Es ist das Zelt Eures Feindes von neulich, König Pellinore. Aber er ist nicht da. Er kämpfte gegen einen Eurer Ritter, Sir Egglame, der schließlich Fersengeld gab, um seine Haut zu retten. Pellinore jagte ihm nach und verfolgte ihn bis nach Caerleon. Wir werden ihm schon bald begegnen, wenn er zurückreitet.«
»Gut«, sagte Artus. »Jetzt habe ich ja wieder ein Schwert. Ich werde noch einmal gegen ihn antreten und diesmal nicht verlieren.«
»Das ist nicht wohl gesprochen, Sir«, sagte Merlin. »Der Ritter Pellinore ist vom Kampf und von der Verfolgungsjagd ermattet. Es brächte Euch wenig Ehre ein, ihn jetzt zu besiegen. Ich rate Euch, ihn passieren zu lassen, denn er wird Euch schon bald gute Dienste leisten, und nach seinem Tod werden Euch seine Söhne dienen. Ihr werdet binnen kurzem so zufrieden mit ihm sein, daß Ihr ihm Eure Schwester zur Frau gebt. Deshalb fordert ihn nicht heraus, wenn er vorüberreitet.«
»Ich werde mich an Euren Rat halten«, sagte der König, blickte das Schwert an und bewunderte seine Schönheit.
Merlin fragte: »Was gefällt Euch besser, das Schwert oder die Scheide?«
»Das Schwert natürlich«, sagte Artus.
»Die Scheide ist ungleich wertvoller«, sagte Merlin. »Solange Ihr sie bei Euch habt, könnt Ihr keinen Tropfen Blut verlieren, und mögen Eure Wunden noch so tief sein. Es ist eine zauberkräftige Scheide. Ihr werdet gut daran tun, sie immer zur Hand zu haben.«
Als sie in die Nähe von Caerleon kamen, begegneten sie König Pellinore, doch Merlin traute dem Temperament der beiden Ritter nicht und bewirkte deshalb durch einen Zauber, daß Pellinore sie nicht sah.
»Es ist sonderbar, daß er kein Wort sprach«, sagte Artus.
»Er hat Euch nicht gesehen«, erklärte Merlin. »Hätte er Euch bemerkt, wäre es zu einem Kampf gekommen.«
Und so gelangten sie nach Caerleon, und Artus’ Ritter freuten sich, als sie
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