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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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nächste Mann wankt durch den Kampf, mit Teilen des Vorgängers an seinem Leib.
    Feuer umhüllte mich – so fühlte es sich an. Heiße Linien gingen von den Verbrennungen in meinem Gesicht aus, durchzogen Körper und Geist.
    Eine Schwertspitze berührte ein Haar meiner Braue und flüsterte über meinen Nasenrücken. Ich zuckte zurück, sprang nach vorn und streckte beide Arme, die Klinge wie eine Stange zwischen ihnen, an beiden Enden gehalten, die Spitze hart am Leder meines Handschuhs. Der Erbauer-Stahl teilte das Gesicht des Soldaten horizontal, zwischen Nase und Oberlippe. Der Griff des Knochens wollte das Schwert mitnehmen, als er fiel, aber ich hielt das Heft fest, ließ die Klinge vom Bewegungsmoment gerade ausrichten und lenkte damit einen herankommenden Speer über meine Schulter hinweg. Jenen Mann trat ich den Hang hinunter, und das aus meinem Mund kommende Gebrüll zerriss die Luft wie der Odem eines Schmelzofens. Wenn mir Zeit genug geblieben wäre, den Blick nach unten zu richten … Es hätte mich nicht überrascht zu sehen, wie der Schnee vor der von meiner Haut kommenden Hitze zurückwich.
    Viel von mir, fast alles, wollte dem Wahnsinn des Kampfes nachgeben und ganz in ihm aufgehen, sich zwischen die Feinde stürzen und den Berg mit ihrem Blut rot färben, um jeden Preis. Aber das Nachgeben, wem oder was auch immer, fällt mir schwer. Ich zog mich zurück, und der Zorn verließ mich, verschwand so schnell, wie er gekommen war. Ich hatte einen
Plan und wollte ihn durchführen, obwohl es keine Hoffnung mehr zu geben schien. Und wenn man einen Plan durchführen will, braucht man einen klaren Kopf.
    Weitere Soldaten drängten mir entgegen, und die Müdigkeit meiner Beine kroch in die Arme. Wir brauchten nur noch ein oder zwei Minuten, aber manchmal bekommt man nicht, was man möchte oder was man braucht. Mein Blick kehrte zur Endlosigkeit zurück. Zeit zu sterben.
    Ich bin einmal von einem Pferd gerettet worden. Es war kein stolzes Ross, das mich in Sicherheit trug. Vielmehr traf mich der Tritt eines in Panik geratenen Tieres. Es war völlig unerwartet geschehen, und vermutlich hatte es Corion noch mehr überrascht als mich. Doch von der schwachen Blase eines Schafes gerettet zu werden … Das schlägt dem Fass den Boden aus.
    Hoch über uns brannten langsame Feuer, schmolzen den Schnee in den Töpfen und erhitzten die aufgepumpte Blase im kochenden Wasser. Der Vorgang lässt den Hochländern Zeit genug, sich in Sicherheit zu bringen. Man muss die Töpfe in der Gefahrenzone aufstellen, und zwar möglichst weit oben, zum eigenen Schutz, aber nicht so hoch, dass sie ihre Wirkung verfehlen.
    Die heiße Luft dehnt sich aus. Die Blasen schwellen noch weiter an, auf eine Größe, die sie durch normales Aufpumpen nicht erreichen könnten. Es ist nur eine Frage der Zeit. Und der richtigen zeitlichen Abstimmung. Das Wasser beginnt zu kochen. Der Druck nimmt zu. Und – Bamm!
    Die Bewohner des Hochlands spielen die Blaterpfeife. Die Dinger haben bei meiner Hochzeit am Morgen gekreischt und ähneln den Dudelsäcken, die man weiter im Norden findet. Sie sind weniger komplex, aber ebenso lärmend. Man würde
es nicht für möglich halten, dass eine explodierende Blase so laut sein kann. Es klingt so, als ob das gesamte Quieken und Heulen, zu dem eine Blaterpfeife während ihres langen Lebens fähig ist, in einen halben Moment gequetscht wird. Es ist ein Geräusch, mit dem man Tote wecken könnte. In diesem Fall war es ein Geräusch, das Tote schaffen sollte.
    Eins der sechs Schafe, die den von Gutting-Männern weiter oben am Hang aufgestellten sechs Lawinentöpfen sechs Blasen gespendet hatten, musste inkontinent gewesen sein, denn seine Blase explodierte vor den anderen.
    Man fühlt eine Lawine, bevor man sie hört. Es kommt zu einer sonderbaren Zunahme des Drucks, der sich einem auf die Ohren legt. Ich bemerkte den Druck trotz der Soldaten, die versuchten, mich in blutige Stücke zu schneiden. Dann kommt das Grollen. Es beginnt leise und wird immer lauter. Und kurz bevor die Lawine da ist, hört man ihr Zischen.
    Das mit der zeitlichen Abstimmung klappte doch noch, im richtigen Moment. Ich sprang in die Höhle, und bevor mir die Angreifer folgen konnten, wurde die Welt weiß und trug die Soldaten fort.

36
Hochzeitstag
    Es war still in der dunklen Höhle, obwohl sie an die hundert Männer enthielt.
    Das letzte Donnern der Lawine verklang. Bei meinem Sturz stieß ich mit dem Hintern gegen einen zu harten Felsen,

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