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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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wie Coddin. Möchtest du dir noch etwas von der Seele reden, Sir Makin? Oder brauchen wir noch extremere Umstände und noch weniger Zeit?«
    »Nein.« Diesmal sah Makin auf, doch sein Gesicht blieb im Schatten. Nur die Wölbung des Wangenknochens und die Nasenspitze fingen das Licht der Laternen ein. »Jene Männer haben entschieden, dir zu folgen, Jorg. Und ohne deine Tricks wären sie alle tot.«
    »Und warum hast du entschieden, mir zu folgen?«, fragte ich. »Warum du?«
    Ich hörte mehr als ich sah, wie sich Makin die Lippen befeuchtete, bevor er antwortete. »Es gibt keine einfachen Antworten in der Welt, Jorg. Jede Frage hat ihre Seiten. Zu viele von ihnen. Alles ist verknotet. Aber du machst die Fragen einfach, und irgendwie funktioniert es. Für andere Männer ist die Welt nicht so. Vielleicht hätte ich einen Weg finden können, dich zu deinem Vater zurückzubringen, bevor du einen eigenen Weg gefunden hast, aber ich wollte dich tun sehen, was dir bestimmt ist. Ich wollte sehen, ob du dich wirklich durchsetzen konntest.«
    »Alles schien einfach zu sein, als ich meinen Hass auf Graf Renar richtete«, sagte ich.
    »Du warst …« Makin lächelte. »Konzentriert.«
    »Es liegt auch an den jungen Jahren. In dem Jungen erkenne ich mich kaum wieder.«
    »Du unterscheidest dich nicht so sehr von ihm«, sagte Makin.
    Der Schnee bei den grabenden Männern hatte ein eigenes Glühen – von der anderen Seite durchdrang ihn helles Tageslicht.
    »Ich habe mich selbst verzehrt, mit dem, was ich wollte. Alles andere war nicht wichtig für mich. Mein Leben ebenso wenig wie das Leben anderer. Alles war ein Preis, den ich bereitwillig zahlen wollte. Alles war es wert, aufs Spiel gesetzt zu werden, selbst für eine kleine Siegeschance.«
    Makin schnaubte. »Das ist ein Ort, den wir alle bei der Reise von Kind zu Mann besuchen. Du hast ihn erreicht.«
    Ich langte in den Beutel an meiner Hüfte und schloss die Finger ums Kupferkästchen. »Ich … bereue gewisse Dinge.«
    »Reue steckt in uns allen.« Makin beobachtete die Grabenden. Ein Lichtstrahl erreichte den Höhleneingang.
    »Gelleth tut mir leid … Mein Vater würde mich für schwach halten. Aber wenn ich noch einmal vor der Wahl stünde, würde ich eine andere Möglichkeit finden.«
    »Es gab keine«, sagte Makin. »Selbst der Weg, den du eingeschlagen hast, hätte eigentlich unmöglich sein sollen.«
    »Erzähl mir bitte von deinem Kind«, sagte ich. »Eine Tochter?«
    »Cerys.« Er sprach den Namen wie einen Kuss, als uns das Tageslicht fand. »Inzwischen wäre sie älter als du, Jorg. Sie war drei, als sie sie umbrachten.«
    Wir konnten jetzt den Himmel sehen, ein Stück Blau im Osten jenseits der Schneewolken.
    »Ich folge dir, weil ich den Krieg satt habe«, sagte Makin. »Ich möchte, dass er aufhört. Ein Reich. Ein Gesetz. Das Wie und Wer spielt keine so große Rolle. Wichtig ist, dass dieser Wahnsinn aufhört.«
    »He, ich fühle die Loyalität!« Ich stemmte mich hoch, stand
auf und streckte mich. »Wäre der Fürst von Pfeil nicht ein besserer Kaiser?«
    Ich lenkte meine Schritte zum Höhlenzugang.
    »Ich glaube nicht, dass er gewinnen wird«, erwiderte Makin und folgte mir.

    Vor langer Zeit, in den sanften Tagen, schnitzte Bruder
Grumlow Holz und arbeitete mit Säge und Meißel. Wenn
harte Zeiten anbrechen, geschieht es, dass Tischler an Kreuze
genagelt werden. Grumlow nahm das Messer und lernte,
Menschen zu schnitzen. Er sieht weich aus, mein Bruder mit
der Klinge, von zierlicher Statur, mit heller Haut, schwachem
Kinn und traurigen Augen. Alles an ihm scheint zu hängen wie
die Enden seines Schnurrbarts. Doch er hat schnelle Hände und
fürchtet keine scharfen Kanten. Wer glaubt, ihn nur mit einem
Dolch zu bezwingen, dem schneidet er mit seinem Messer eine
neue Meinung.

37
Hochzeitstag
    Hundertzwölf Männer kletterten aus der Höhle unter dem Pass des blauen Mondes. Ich ließ den Kommandeur der Wache Hobbs seinen Appell durchführen, als sich die Männer im neuen Schnee versammelten. Es überraschte mich, dass die Lawine, die an den Felsen weiter unten wie eine Welle gebrochen war und die Höhle wie Milch umflossen hatte, mein Gewicht tragen konnte – bei jedem Schritt sanken meine Füße nur wenige Zentimeter ins Weiß. Ich hörte die Aufrufe der Namen und die Antworten, oder Stille, wenn niemand da war, der antworten konnte.
    Der neue Schnee glitzerte unter uns, perfekt und gleichmäßig, ohne Blut, ohne die Spuren des Gemetzels, das

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