Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
Vom Netzwerk:
bringen sollen! Dann wäre ich wenigstens kräftig genug gewesen, um zu kämpfen.«
    Auf mich wirkte er nicht unbedingt schwach. Der Zorn erschließt einem immer eine kleine Reserve, von deren Existenz man bis dahin nichts gewusst hatte.
    »Grabt weiter!«, rief ich den Männern um mich herum zu. Der Höhleneingang war breit genug für drei Männer nebeneinander: ein schwarzes Loch im Schnee.
    »Wie viele Menschen sind letztes Jahr in den Matteracks durch Lawinen ums Leben gekommen, Makin?«, fragte ich.
    »Ich weiß nicht!« Er starrte mich an, als hätte ich ihn gebeten, seine Kinder auszutragen. »Keine?«
    »Drei«, sagte ich. »Und einer im Jahr davor.«
    Einige Soldaten versuchten, uns in die Zange zu nehmen. Sie wichen dem Kampfgewühl aus und näherten sich von den Seiten. Ich nahm meinen Bogen und schickte einen Pfeil zu den Männern auf der linken Seite.
    »Wir sind erledigt.« Hobbs mühte sich über den Hang und wich den Grabenden aus. Er verdiente Anerkennung für das »Sire«, das er seinen Worten hinzufügte.
    Mein Pfeil traf einen Mann dicht über dem Knie. Es schien ein alter Bursche zu sein. Manche Leute wissen einfach nicht, wann man sich besser zur Ruhe setzen sollte. Er kippte, fiel und rollte den Hang hinunter. Ich fragte mich, ob er liegenbleiben würde, bevor er die Spukburg erreichte. »Es gibt einen Grund, warum in zwei Jahren vier Menschen Lawinen zum Opfer gefallen sind«, sagte ich.
    »Unachtsamkeit?«, vermutete Makin. Einem der wagemutigeren Männer des Fürsten war es gelungen, unverletzt am Rand des Kampfes unter uns vorbeizugelangen. Makin parierte seinen Hieb und schlug ihn nieder. Ein zweiter Soldat dicht hinter dem ersten bekam einen Pfeil durch seinen Adamsapfel.
    Metall kratzte über Fels – die Grabenden hatten die Ränder des Höhleneingangs gefunden. Das Loch war jetzt breit genug für einen Wagen, aber noch breiter würde es nicht werden.
    Wenn Schnee die Welt bedeckt, wird sie flach. Alle Mulden und Buckel gehen in einer einheitlichen Oberfläche auf, wie das weiße Blatt, das auf den Federkiel wartet. Auf ein Schneefeld kann man all das setzen, was die Phantasie erschaffen mag, denn die Augen zeigen einem nichts.
    »Nun?«, fragte Makin. Die Soldaten von Pfeil kamen noch näher. Es schien Makin zu ärgern, dass ich mich von etwas ablenken ließ, das er für einen Tagtraum hielt.
    »Man muss die Schattierungen erkennen«, sagte ich.
    »Die Schattierungen?«
    Ich zuckte die Schultern. Es gab Zeit; noch brauchten wir die Höhle nicht. »Ich dachte, dass die Macht, nur Schwarz und Weiß zu sehen, allein bei den Jungen liegt«, sagte ich und beobachtete, wie ein Mann unserer Wache fiel. Die rote Spitze eines Schwerts ragte aus seinem Rücken, und seine Hände waren um den Hals des Soldaten geschlossen, dem es gehörte.
    »Schattierungen?«, fragte Makin erneut.
    »Wir sehen nie auf, Makin. Nie heben wir den Kopf, um aufzusehen. Wir leben in einer so großen Welt, kriechen nur auf einer Oberfläche und beschäftigen uns allein mit dem, was vor uns liegt.«
    »Schattierungen?« Der sture Makin ließ sich nicht beirren. Hier und dort geriet die Verteidigungslinie ins Wanken; bald würde mein Schwert nötig sein. »Schattierungen«, bestätigte ich. Wenn sich nur Weißes vor einem erstreckt, so lernt man mit der Zeit, bestimmte Schattierungen darin zu erkennen. Das hatten mir die Bauern von Gutting erklärt, mit ihren eigenen Worten. Es gibt viele Arten von Schnee, in vielen Schattierungen, und selbst viele Arten in derselben Schattierung. Es gibt Schichten, Körnigkeit, Pulver. »Als ich Bruder Gemt getötet habe, bin ich etwas zuvorgekommen«, sagte ich. »Verstehst
du, was es damit auf sich hat, etwas zuvorzukommen, Bruder Makin?«
    Tausend Lächeln und eine krause Stirn. Er gab mir die krause Stirn.
    »Ich habe ihn getötet, weil mir danach war, aber auch, weil es nur eine Frage der Zeit gewesen wäre, wann er mich angegriffen hätte. Bevor er versucht hätte, mir des Nachts die Kehle durchzuschneiden, aus reiner Bosheit.«
    »Was hat der verdammte Bruder Gemt hiermit zu tun?« Makin streckte einen weiteren Mann nieder, der zu nahe herankam, und ich schickte einen Pfeil zu den Soldaten rechts von uns.
    »In zwei Jahren gab es vier Tote und nicht vierzig, weil die Bewohner des Hochlands Lawinen zuvorkommen«, sagte ich. »Sie lösen sie aus.«
    »Was?«
    »Sie beobachten den Schnee und sehen die Schattierungen. Sie sehen das Auf und Ab, nicht die glatten Flächen, nicht die

Weitere Kostenlose Bücher