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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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vorher, als sie ihn für gefangen oder gar tot hielten. Er sieht wild aus, das Haar zerzaust und voller Blut. Sein Blick ist unstet, richtet sich auf nichts und niemanden, und er kann sich kaum auf den Beinen halten. Er hat auch Blut an den Händen, es reicht ihm bis über die Ellenbogen, und seine Fingernägel sind gerissen. Zwei von ihnen fehlen.
    Makin riet ihm, zu schlafen, und Jorg gab dieses furchtbare Geräusch von sich. Ich glaube, ich habe gelacht. Er sagt, dass er nie wieder schlafen wird. Nie wieder. Und ich glaube ihm. Jorg wankt umher, wehrt mit den Händen Bäume ab und stößt gegen alles, was ihm in den Weg gerät. Er sagt, dass er vergiftet wurde.
    »Ich kriege sie nicht sauber«, sagte er und zeigte mir seine Hände. Sie sehen fast so aus, als hätte er die Haut von ihnen gekratzt.
    Ich fragte ihn, was denn nur mit ihm sei, und er sagte: »Ich bin gebrochen und mit Gift gefüllt.«
    Er entsetzt seine Männer, und mich ebenfalls. Von uns allen meidet sein Blick vor allem mich. Seine Augen sind vom Weinen gerötet, aber jetzt weint er nicht, er schluchzt nur, trocken, ohne Tränen.
    Meine Großtante trug Wahnsinn in sich. Großtante Lucin. Sie muss sechzig gewesen sein, eine kleine Frau, mollig, wir mochten sie alle. Und eines Tages schüttete sie kochendes Wasser über ihre Zofe. Sie schüttete das kochende Wasser und wurde verrückt, faselte Kinderreime und biss sich. Vaters Arzt schickte sie nach Thar. Angeblich gab es dort einen Alchimisten, dessen Elixiere sie heilen konnten. Und für den Fall, dass die Elixiere nicht halfen, kannte er andere Methoden. Der Arzt meinte, dieser Alchimist namens Luntar könne Teile des Verstandes einer Person nehmen, bis nur noch Gesundes übrigbleibt.
    Zwei Monate später kehrte meine Großtante Lucin mit einer Kutsche zurück. Sie lächelte und sang und sprach übers Wetter. Sie war nicht mehr meine Großtante, aber sie schien recht nett zu sein, und sie schüttete kein kochendes Wasser auf Zofen.
    Ich will nicht, dass so etwas mit Jorg passiert.
     
    Jorg hat seine Männer aufgefordert, mich zu töten, und einige von ihnen scheinen bereit zu sein, seiner Aufforderung nachzukommen. Rike wirkt recht eifrig. Aber Sir Makin betonte, Jorg wisse nicht, wovon er rede, und er fügte hinzu, sie sollten mich in Ruhe lassen.
    Jorg sagt, dass er auch Sareth töten muss. Angeblich täte er ihr damit einen Gefallen. Er beharrt darauf. Kent und Makin
mussten mit ihm ringen und ihn auf den Boden drücken, damit er nicht zur Burg lief und seinen Worten Taten folgen ließ. Jetzt liegt er im Dreck und beobachtet mich. Immer wieder sagt er mir, was sie mit den Männern im Verlies meines Vaters machen. Es kann nicht stimmen, nichts davon. Es macht mich krank, so etwas zu hören. Mir wird übel davon. Jorg hat sich selbst beschmutzt. Die Hälfte der Zeit scheint er um uns herum etwas anderes zu sehen als den Wald. Er starrt ins Leere, beobachtet irgendetwas und schreit plötzlich, oder lacht.
    Er hat über unser Kind gesprochen. Ich nenne es noch immer unseres. Es fühlt sich besser an, als zu sagen, dass es Friar Glen war, der mich vergewaltigte. Jorg sagt, dass er das Kind getötet hat, obwohl ich es bin, die diese Sünde trägt, ich werde dafür im Höllenfeuer brennen. Er sagt, dass er das Kind mit seinen eigenen Händen getötet hat. Und jetzt weint er. Er hat noch Tränen. Er heult, mit Rotz und Dreck vom Wald im Gesicht.
    »Ich habe das Kind gehalten, Katherine, weich in meinen Händen. So klein und unschuldig. Meine Finger erinnern sich an seine Gestalt.«
    Ich ertrage es nicht, ihn davon sprechen zu hören.
    Ich habe Sir Makin von Luntar erzählt, und wie man nach Thar gelangt.
     
    Dies hat Jorg gesagt, als sie ihn fortzerrten und auf sein Pferd banden:
    »Wir sind keine Erinnerungen, Katherine, wir sind Träume. Wir alle. Jeder Teil von uns ist ein Traum, ein Albtraum aus Blut, Kotze, Langeweile und Furcht. Und wenn wir erwachen … Dann sterben wir.«
    Als sie sein Pferd fortführten, rief er mir etwas zu, das klarer klang als die anderen Worte.
    »Sageous hat uns beide vergiftet, Katherine. Mit Träumen. Er steckt uns die Hände in den Kopf und zieht die Fäden, die uns tanzen lassen, und dann tanzen wir. Nichts davon war wahr. Nichts.«
    Ich ging über die Felder zur Straße von Rom und folgte ihr zur Hohen Burg, bis Soldaten mich fanden und zurückbrachten. Zurück, sage ich. Ich spreche nicht davon, dass sie mich nach Hause brachten.
    Unterwegs dachte ich an Jorgs

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