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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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fragwürdigen Pferd zu gewinnen. Ich widerstand dem Drang, ihm meine Zähne zu zeigen. Dick und grau und alt mag er gewesen sein, aber etwas an ihm wies daraufhin, dass man ihn nicht unterschätzen sollte – er kannte sich mit Menschen aus, und die Vorstellung, seine Tochter zu verheiraten, gefiel ihm ebenso wenig wie mir. Er beugte sich vor, eine Bewegung, die Vertrauen zum Ausdruck brachte, oder vielleicht eine Drohung. Der Rubin schwang dabei an seiner Kette und fing das letzte Licht der Sonne ein. Er schien es festzuhalten und damit tief in seinem Innern ein Feuer zu entfachen, das etwas in meinem Blut weckte. Hitze stieg in mir auf, und ich musste mich zwingen, nicht nach dem Edelstein zu greifen.
    »Hör mir gut zu, Ankrath«, sagte Kalam Dean von Wennith. Der Rubin schwang erneut, berührte seine Brust und beendete das Gespräch vorzeitig. Der Lord gab einen schmerzerfüllten Schrei von sich und zuckte zurück; unter dem Edelstein war der Stoff seines Gewands verbrannt.
    Während Wächter zu Wennith eilten und Großvater nach Bediensteten rief, kam das Mädchen heran. »König Jorg?«, fragte es.
    »Lady Miana?« Ich sank auf ein Knie, um auf einer Höhe mit ihren Augen zu sein, und ich drehte das Gesicht, um sie nicht mit meinen Narben zu erschrecken. »Wie heißt deine Puppe?« Ich hatte kaum Erfahrung im Umgang mit Kindern, aber die Worte erschienen mir harmlos genug. Miana sah überrascht nach unten, als erinnerte sie sich erst jetzt wieder an das Spielzeug.
    »Oh«, sagte sie. »Die gehört nicht mir, sondern meiner Schwester. Ich bin fast erwachsen. Sie heißt Lolly.« Die Form ihres Munds verriet die Lüge – sie schmeckte bitter für Miana. Es waren ihre ersten Worte für mich, und ich hatte sie bereits zur Lügnerin gemacht. Wenn wir jemals heirateten, so war es das geringste meiner Verbrechen. Ich würde das Leben dieses kleinen Mädchens mit der Puppe ruinieren. Wenn es vernünftig gewesen wäre, hätte es auf der Stelle die Flucht ergriffen. Wenn ich anständig gewesen wäre, hätte ich es auf der Stelle verjagt. Aber stattdessen belog ich seinen Vater, lächelte und war für den Moment der, für den er mich halten wollte. Und das alles nur für das Versprechen eines schweren Pferds, oder von fünfhundert Kriegern auf den besten Rössern der Pferdeküste.
    Ein Mönch von der Morrow-Kapelle und ein Wächter brachten Lord Wennith hinaus. Miana folgte ihnen, blieb vor der Tür stehen und drehte sich noch einmal um. »Erinnere dich an mich«, sagte sie.
    »Oh, das werde ich.« Ich kniete noch und nickte. Ein stolzer Tag wie dieser würde für immer in meinem Gedächtnis bleiben. Ich schenkte dem Kind ein Lächeln. »Ich werde dich nicht vergessen, Miana. Es gibt einen Ort, wo ich die Erinnerung verstauen kann, wo sie gut aufgehoben ist.«
    Am nächsten Tag schlossen Kalam Dean und ich unsere Verhandlungen
ab. Den Rubin brachte er nicht mit, versprach ihn aber als Mianas Mitgift. Am selben Abend lernte ich, wie man eine unerwünschte Erinnerung aus dem Gedächtnis quetscht und in Luntars Kupferkästchen unterbringt. Was ich von Miana behielt, war ihr Name, der Umstand, dass ich sie heiraten sollte und dass eines Tages fünfhundert Reiter meinem Ruf folgen würden.
     
    Die restliche Zeit, die ich in der Burg Morrow verbrachte, und die Reise zurück zum Hochland sind Geschichten, die ich besser bei einer anderen Gelegenheit erzähle. Bevor ich mich auf den Weg machte – am Tag nach meiner Verlobung –, suchte ich noch einmal den Raum unter dem Weinkeller auf, diesmal mit Erlaubnis.
    Mein Onkel nannte ihn »Meckerzimmer«. Die Maschine schien nur drei Aufgaben zu haben. Erstens: Sie ließ einige Lampen in den ältesten Teilen der Burg leuchten. Zweitens: Sie saugte unten an den Klippen Wasser aus dem Meer und verwandelte es in reines Trinkwasser für die Springbrunnen auf den Höfen. Und drittens: Sie erlaubte dem Meckerer namens Fexler Brews eine Art Halbleben, in dem er die Lebenden mit Verachtung für ihre Unwissenheit überschüttete, unsere Existenz bemitleidete und über die Dinge klagte, die zu seinen Lebzeiten unerledigt geblieben waren.
    »Geh weg.«
    Fexler erschien in dem Moment, als ich das Meckerzimmer betrat, und er wiederholte die Worte, mit denen er mich bei unserer ersten Begegnung begrüßt hatte.
    »Zwing mich doch«, erwiderte ich.
    »Ah, der junge Mann mit den Fragen«, sagte Fexler. »Einmal bin ich selbst ein junger Mann mit Fragen gewesen, weißt du.«
    »Nein, das stimmt

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