König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
plötzlich kommen und brachial sein.«
»Und woher weißt du das?« Mein Blick kehrte zum Ring zurück.
»Eine Lektion des Lebens, Jorg. Was immer man ansieht, kann zurücksehen. Der Ring hat dein Gehirn bis ins kleinste Detail gescannt.«
Ich presste die Lippen zusammen. Die Vorstellung, gemessen und klassifiziert zu werden, gefiel mir nicht. »Und das war etwas Unerwartetes, nicht das, wonach du gesucht hast?«
»Du weißt, wonach ich gesucht habe.« Fexler lächelte. »Vielleicht bist du so freundlich, den Ring darauf zu setzen?«
Ich holte das Kupferkästchen mit den Erinnerungen hervor. An diesem Tag schien es in meinen Händen zu zittern. Der Seh-Ring klackte daran, als handelte es sich um Magneten mit gegenseitiger Anziehungskraft. Für einen Moment pulsierte Fexlers Bild etwas heller.
»Interessant«, sagte er. »Primitiv, aber clever. Sogar erstaunlich.«
Kästchen und Ring trennten sich wieder voneinander – sie waren miteinander fertig. Fexler richtete einen durchdringenden Blick auf mich.
»Ich kann dir helfen, Junge. Feuer und Tod haben tiefe Wurzeln in dir geschlagen. Nenn es Magie. Es handelt sich um etwas anderes, aber vielleicht ist es einfacher, wenn wir von Magie ausgehen. Deine Wunden verankern die beiden Zauber, und sie versuchen, dich in die Domäne zu ziehen, in der sie entspringen. Mit der Zeit könnte dich jeder von ihnen für sich allein genommen herabziehen und etwas anderes aus dir machen, etwas, das nichts Menschliches mehr hat. Verstehst du?«
Ich nickte. Ferrakind und der Tote König warteten in verschiedenen Höllen auf mich.
Fexler betrachtete das von meinen Fingern umklammerte Kästchen. »Dich rettet allein der Umstand, dass es gegensätzliche Kräfte sind. Aber bald wird ihr Gegensatz dich aufreißen.«
Er wartete darauf, dass ich etwas sagte, dass ich seine Hilfe erbat oder gar erflehte. Doch ich schwieg und beobachtete ihn nur.
»Ich kann helfen«, sagte Fexler.
»Wie?«
Er lächelte nervös. »Es ist bereits getan. Ich habe beide Kräfte durch dein interessantes Kästchen miteinander verbunden. Es ist viel stärker als du. Es könnte auf Dauer standhalten. Und während es standhält, sollte der Vorgang unterbrochen und angehalten werden; keine der beiden Kräfte sollte Gelegenheit erhalten, dich noch besser in den Griff zu bekommen und dich noch weiter in ihre Domäne zu ziehen.«
»Und was verlangst du für dieses … Geschenk?«, fragte ich.
Fexler wehrte die Frage mit einem verärgerten Wink ab. »Denk nur an eins, Jorg von Ankrath. Öffne das Kästchen nicht. Wenn du es öffnest, wird das, was ich für dich getan habe, rückgängig gemacht. Wenn du es öffnest, bist du erledigt.«
Das Kästchen glänzte, als ich es drehte. »Pandora hatte so etwas.«
Ich hob den Blick, um zu sehen, wie Fexler auf diese Worte reagierte, doch er war verschwunden. Eine stille Minute verging, während ich allein in dem Keller stand, mit Kästchen und Ring in den Händen. Ich hatte mehr als nur drei Antworten von dem Geist bekommen, aber dafür hatte ich auch tausend Fragen mehr als zu Anfang.
»Kehr zurück.« Es klang dumm.
Der Geist blieb verschwunden.
Ich steckte den Ring ein. Wie seltsam, dass der alte Meckerer
mich den anderen Besuchern gegenüber, die hierhergekommen waren, bevorzugt behandelt hatte. Onkel Robert hatte weder Geschenke irgendeiner Art erwähnt noch sinnvolle Antworten auf Fragen. Fexler wollte etwas von mir. Etwas Persönliches. Darauf deutete sein letztes nervöses Lächeln hin. Er war seit tausend Jahren toter Erbauer, oder die Geschichte eines Erbauers in einer Maschine aus Zahnrädern und Magie, aber vorher war er ein Mensch gewesen, und mit Menschen kannte ich mich aus. Er wollte etwas – etwas, das er nicht nehmen konnte, von dem er aber glaubte, dass ich imstande war, es ihm zu geben.
Ich fragte mich trotz seines Spotts, ob der Tod auch auf Geister einen gewissen Reiz ausübte. Es ist uns nicht bestimmt, ewig zu leben, oder allein zu bleiben. Ein Leben ohne Veränderung ist kein Leben. Der Geist unter dem Honasberg stimmte mir zu. Vielleicht hatte mich Fexler Brews nur darauf hinweisen können, indem er mir sein Geschenk anbot. In der Hoffnung, dass ich ihm half. Er wollte etwas, so viel stand fest. Alle wollten etwas.
Ich würde darüber nachdenken müssen. Die Maschine hatte Fexler gemacht. Mein Großvater würde mir gewiss nicht dankbar sein, wenn ich die Quelle für sein Süßwasser zerstörte, ebenso wenig die Männer, die
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