König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
in die Kutsche stiegen. Leiser und schwächer als das Schwertlied, aber viel wichtiger und lebendiger.
Zwei Tage vergingen, bevor mich Graf Hansa in seinen Thronraum bestellte. Er liegt an der Rückwand der Burg, und ein großer Kreis aus Erbauer-Glas gewährt dort Blick auf all die veränderlichen Farben des Mittleren Meeres. Dort trat ich dem alten Mann gegenüber, mit dem Rücken den fernen Wellen zugewandt, ihr Rauschen bereit, jede Stille zwischen uns zu betonen, und mit der Sonne rot wie Blut über dem Horizont.
»Wir stehen in deiner Schuld, Jorg«, sagte mein Großvater.
Eigentlich war es mein Onkel, der stand, rechts von Großvaters Thron, während der Alte auf seinem Fischbeinstuhl saß.
»Wir sind eine Familie«, erwiderte ich.
»Und was kann deine Familie für dich tun?« Graf Hansa mag der Vater meiner Mutter gewesen sein, aber er war klug genug, um zu wissen, dass junge Männer nicht einen halben Kontinent überquerten, um alte Verwandte zu besuchen.
»Vielleicht können wir gegenseitig etwas füreinander tun. In schweren Zeiten auf militärische Hilfe zurückgreifen zu können, mag den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Vielleicht wird dieser Ibn Fayed zu einer größeren Gefahr. Vielleicht ist es dann nötig, dass die Männer des Hochlands an der Seite des Hauses Morrow stehen, um ihm Einhalt zu gebieten. Es wäre auch denkbar, dass meine Position bedroht wird, und dann könnten mir die Truppen meines Großvaters oder sein Pferd von großem Nutzen sein.«
»Bist du jetzt bedroht?«, fragte Großvater.
»Nein«, sagte ich. »Es war keine Verzweiflung, die mich hierher geführt hat, kein Flehen. Ich erstrebe ein strategisches Bündnis, etwas, das Jahre überspannt.«
»Unsere Länder sind weit voneinander entfernt«, gab Großvater zu bedenken.
»Das wird vielleicht nicht auf Dauer so sein.« Ich erlaubte mir ein Lächeln. Ich hatte vor, zu wachsen.
»Ist es nicht sonderbar, dass du einen so weiten Weg zurücklegst, während die Heere deines Vaters nur wenige Tagesreisen von deinen Toren entfernt sind?« Die Zunge des Grafen strich über seine Zähne und schien etwas Fauliges zu schmecken.
»Mein Vater ist ein Feind, dem ich auf dem Schlachtfeld begegnen werde, wenn es so weit ist«, sagte ich.
Der Graf klopfte sich auf den Oberschenkel. »Das ist ein Bündnis, dem ich mich anschließen könnte!« Er beobachtete mich einen Moment, und die Freude wich aus seinem Gesicht. »Du bist der Sohn deines Vaters, Jorg. Ich will nicht lügen. Es ist schwer, dir zu vertrauen. Der Gedanke, dass ich meine Soldaten für Olidans Jungen in einem fremden Land kämpfen lassen soll, verlangt mir einiges ab.«
»Es würde ihm Schmerzen bereiten, zu hören, dass du mich so nennst«, sagte ich.
Lord Robert beugte sich zur Seite und flüsterte seinem Vater etwas ins Ohr.
»Wenn ich mein Schicksal mit dem deinen verbinden soll, Jorg, so brauchen wir stärkere Bande. Dein Großvater und ich schätzen Lady Agath. Ihr Sohn regiert in Wennith, und er hat zwei Töchter. Noch sind es kleine Mädchen, aber es wird nicht lange dauern, bis sie ein heiratsfähiges Alter erreichen. An dem Tag, an dem du eine von ihnen heiratest, sind meine Soldaten bereit, für deine Sache in den Kampf zu ziehen.« Mit einem Lächeln lehnte sich der Graf auf seinem Thron zurück.
»Was sagst du dazu, Jorg?«, fragte Onkel Robert und lächelte ebenfalls.
Ich breitete die Arme aus. »Einverstanden?«
Robert nickte einem Ritter zu, der die Tür öffnete und mit einem Bediensteten im Flur sprach. Die Falle, in der ich saß, schnappte zu. In den zwei Tagen seit Qalasadis Flucht waren Vögel geflogen. Sie hatten Antworten zurückgebracht, und Kutschen waren gerollt.
»Kalam Dean, Lord von Wennith, dritter des Namens«, verkündete der Herold. Er schwitzte in dicker Seide. »Und die Lady Miana.«
Ein dicklicher Mann, klein und mit grauem Haar, kam herein.
Er war fast so alt wie Großvater, trug ein schlichtes weißes Gewand und hätte für einen einfachen Mönch gehalten werden können, wenn nicht die dicke goldene Kette an seinem Hals gewesen wäre. Ein Rubin, größer als ein Taubenei, hing daran. Lady Miana folgte ihm, ein Kind von acht Jahren, in Krinoline und Knautschsamt gehüllt, mit großen Augen und von der Hitze gerötetem Gesicht. Beide Hände umklammerten eine Puppe.
Der Lord von Wennith trat direkt auf mich zu, reckte den Hals und musterte mich von Kopf bis Fuß, als versuchte er, einen Eindruck von einem
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