König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Welt sind, die uns nicht gehört und die wir nicht verstehen. Dass wir allein sind und dass die Kraft meines Willens entscheidet, ob ich gewinne oder verliere. Oder wie weit ich komme. Und dass uns in der Stunde der Not niemand zu Hilfe kommt.« Und dass sich einige Dinge nicht einmal dann in Ordnung bringen lassen, wenn wir die Sonne auf die Erde holen und Berge zerkrümeln.
Ich dachte an Gelleth, an die Geister, die Chella aus mir holte. Seit der Nacht des Unwetters und der Dornen war ich von dem besessen, was andere mir angetan hatten. Gelleth lehrte mich, dass ich auch von dem besessen sein konnte, was ich anderen angetan hatte.
Der tote Knabe beobachtete mich, zerbrochen lag er bei den Zinnen des Turms, voller Blut, eine Erinnerung an William und den Meilenstein, seine Augen wie zwei Sterne. Ein weiterer Geist, ein weiteres Unglück, das ein Zuhause suchte.
»Du bist nie gekommen. Ich dachte, du würdest für mich kommen.« In meiner Vorstellung hatte ich Onkel Robert hundert Mal zur Hohen Burg reiten sehen, an der Spitze der Kavallerie des Hauses Morrow, um Rechenschaft für den Tod seiner Schwester zu verlangen, um seinen Neffen zu holen und ihn
heimzubringen. »Wenn Morrow aufgebrochen wäre, um den Tod meiner Mutter zu rächen, hätte es Gelleth nicht gegeben.« Keine Jahre auf der Straße. Nicht all das Blut. Kein totes Kind, das in den Schatten auf mich wartete.
Robert betrachtete seinen Kelch. »Du bist aus Ankrath geflohen, bevor wir von Rowens Tod erfuhren. Olidan ließ sich Zeit damit, die Nachricht zu schicken, und sie brauchte eine Weile, um uns zu erreichen.«
»Aber du bist nicht gekommen.« Alter Zorn brannte plötzlich in mir, und ich ging rasch zur Treppe, bevor ein loderndes Feuer daraus werden konnte. Als König hatte ich die Stufen erstiegen, als Mann von fast fünfzehn Jahren, und jetzt schrie ein verletztes, wutentbranntes Kind aus mir, durch all die Jahre.
»Jorg …«
»Nein!« Die Hand, die ich hob, damit er sitzen blieb, zitterte mit dem Grimm dessen, was ich zurückhielt, und ein Flirren wie von Hitze lag in der Luft. Ich hatte nicht gewusst, dass meine Erinnerungen dies mit mir anstellen konnten.
Ich lief aus dem Turm, voller Furcht, das Blut eines zweiten Onkels an meinen Händen zu finden.
Am nächsten Morgen vertrieben wir den Schmerz zwischen uns, aber mit Höflichkeitsfloskeln und leeren Worten von der Art, die die Wunden nicht reinigt, sondern nur zudeckt. Ich ließ nicht zu, dass mein Onkel erneut dieses Thema anschnitt. Stattdessen sprach ich von Ibn Fayed und Qalasadi. Mit erheblichen Mühen hatte ich versucht, in Hinsicht auf den Tod meiner Mutter und meines Bruders William Bilanz zu ziehen, doch hier waren zwei Männer, denen es fast gelungen wäre, meine ganze Familie auszulöschen: Onkel, Großmutter und Großvater. Mehr noch: Mit kühlem Kopf hatte
der Mathmagier mein Geheimnis erkannt und beschlossen, meine Verwandten zu töten, bevor sie von mir erfuhren. Er hatte die Familie meiner Mutter mit Gift auslöschen und mich für das schreckliche Verbrechen büßen lassen wollen. Bosheit schien nicht dahinterzustecken, nur kalte Berechnung, aber eine solche Gleichung konnte ich nicht ungelöst lassen. Das wäre nicht richtig gewesen.
Robert versuchte, mich von Rachegedanken abzulenken. »Ibn Fayed wird uns irgendwann angreifen und seine Stärke hier verlieren. Dann kommt die Zeit der Abrechnung.« Aber ich hatte Pläne, die der Gegenwart näher lagen. Manchmal kann man den Pfad der Rache leicht beschreiten, obwohl ich ihn oft als den schwierigsten Weg beschrieben habe.
Ich verließ die Burg Morrow einige Monate später, sonnengebräunt, etwas größer und mit Proviant und Geschenken. Meine Satteltaschen waren prall gefüllt, sehr verlockend für Räuber, denen ich unterwegs begegnen mochte. Die wichtigsten Dinge trug ich am Körper: das Kupferkästchen mit dem Dornenmuster, den Seh-Ring der Erbauer und die Waffe, die Fexler Brews vor mehr als neunhundert Jahren getötet hatte, einen harten und schweren Klumpen, unter den Arm gebunden. Ich habe »Nein« immer mehr für eine Herausforderung als für eine Antwort gehalten.
Mit diesen Schätzen brach ich auf, und außerdem nahm ich eine Nachricht mit, ein Mantra gewissermaßen. Öffne das Kästchen nicht. Wenn du es öffnest, wird das, was ich für dich getan habe, rückgängig gemacht. Wenn du es öffnest, bist du erledigt.
Öffne auf keinen Fall das Kästchen.
Man sieht nicht, wenn Bruder Grumlow mit
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