König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Eindruck hast du von dem Fürsten gewonnen?« Ich wollte nach Katherine fragen, nicht nach Orrin und seinem Bruder, aber ich gab diesem Wunsch nicht nach. Rücksicht auf Mianas Gefühle war nicht
der Grund, vielmehr Abscheu vor der Schwäche, die mir auch nur die Erwähnung von Katherine gab.
»Orrin von Pfeil erschien mir als der beste Mann, dem ich jemals begegnet bin«, sagte Miana, die es offenbar nicht für nötig hielt, Rücksicht auf meine Gefühle zu nehmen. »Seinen Bruder Egan hingegen halte ich für eingebildet. Das sagte auch mein Vater. Die falsche Mischung aus schwach und gefährlich. Orrin aber … Er könnte ein guter Kaiser sein, dem es vielleicht gelänge, die Hundert friedlich zu einen. Hast du nie an die Möglichkeit gedacht, ihm zur gegebenen Zeit Treue zu schwören?«
Ich begegnete Mianas Blick. Es waren schlaue Augen, die im Gesicht eines Kinds eigentlich nichts zu suchen hatten. Die Wahrheit lautete: Ich hatte oft darüber nachgedacht, was ich tun würde, wenn Orrin von Pfeil zur Spukburg zurückkehrte, ob er dabei ein Heer mitbrachte oder nicht. Zweifellos hielt mich nicht eine einzige Person für geeigneter als Orrin, auf dem Thron des Kaisers zu sitzen, und doch waren Tausende bereit gewesen, ihr Blut zu geben, um ihn aufzuhalten. Um im Leben etwas zu erreichen, muss man über Leichen gehen, und ich habe meinen Weg mit Leichen über Leichen gepflastert. Gelleth brannte für meinen Ehrgeiz und brennt noch immer dafür.
»Ja, ich habe daran gedacht.«
Die Worte überraschten Miana. Sie hatte nicht mit einer Antwort gerechnet.
»Es gab einmal eine Zeit, in der ich vielleicht als Verwalter für den Kaiser Orrin gearbeitet hätte. Eine Zeit, in der ich bereit gewesen wäre, meine Ziegenhirten und seine Bauern friedlich miteinander leben zu lassen. Aber die Dinge ändern sich, Ereignisse tragen uns fort, selbst wenn man glaubt, zu
führen und die Befehle zu geben. Brüder sterben. Bestimmte Entscheidungen werden uns abgenommen.«
»Katherine ist sehr schön«, sagte Miana, und diesmal senkte sie den Blick.
Draußen erklangen Schreie. Pfeile zischten, Gebrüll kam aus der Ferne. »Haben wir uns jetzt Zeit genug gelassen?« Ich hatte nicht nach Katherine gefragt, und eine Schlacht wartete auf mich. Als ich aufstehen wollte, legte mir Miana die Hand aufs Bein, nervös und auch kühn.
Sie griff erneut nach ihrem Gewand, und ich dachte schon, dass vielleicht mehr Entschlossenheit in ihr steckte als Furcht, aber sie löste nicht die Schnüre, sondern holte einen schwarzen Samtbeutel hervor, der an einer Schnur baumelte. Er war gerade groß genug für einen Augapfel.
»Meine Mitgift«, sagte Miana.
»Ich hatte mir etwas Größeres erhofft.« Ich lächelte und nahm den Beutel entgegen.
»Sollten das nicht meine Worte sein?«
Ich lachte laut. »Jemand hat eine böse alte Frau in den Körper eines Mädchens gesteckt und ihn mit der kleinsten Mitgift auf der ganzen Welt zu mir geschickt.«
Ich gab den Inhalt des Beutels auf meine Hand. Ein einzelner Rubin, so groß wie ein Auge, von einem Experten geschliffen und mit einem roten Stern, der in seinem Innern brannte. »Hübsch«, sagte ich. Der Rubin fühlte sich warm an und brachte dort Hitze in mein Gesicht, wo ich die Brandnarben trug.
»Es ist ein Werk von Magie«, sagte Miana. »Ein Feuermagier hat die Wärme von tausend Herzen darin verstaut. Der Stein kann Fackeln entzünden, Wasser kochen, ein Bad erhitzen und Licht machen. Er kann sogar genug Hitze erzeugen, um zwei
Eisenstücke miteinander zu verbinden. Ich zeige es dir, wenn du möchtest.«
Sie streckte die Hand nach dem Edelstein aus, aber ich schloss die Finger darum. »Jetzt weiß ich, warum Feuerverfluchte Rubine mögen«, sagte ich.
»Sei vorsichtig«, mahnte Miana. »Es wäre … unklug, ihn zu zerbrechen.«
Meine Finger hatten sich gerade um den Rubin geschlossen, als mich plötzlich eine Woge der Hitze erfasste und mir den Arm verbrannte. Für einen Moment sah ich nur ein Lodern und glaubte, Gogs Krallenhände an meinen Seiten zu fühlen, als säße er hinter mir auf Braths Rücken, wie an so vielen Tagen im Frühling. Ich hörte seine hohe Stimme, fast wie die Musik meiner Mutter, die versuchte, mich aus zu weiter Ferne zu erreichen. Etwas entzündete sich in meinem Kern, und das Strömen des Feuers kehrte sich um, es brannte unsichtbar durch meinen Arm und in den Edelstein. Ein Knacken kam von dem Rubin, und mit einem Aufschrei ließ ich ihn los. Miana fing ihn – wie
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