König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
flink ihre Hände waren! Ich rechnete damit, dass sie ebenfalls schrie und den Rubin fallen ließ, aber er lag kühl auf ihrer Hand, Sie legte ihn aufs Bett.
Ich stand auf. »Es ist eine würdige Mitgift, Miana. Du wirst eine gute Königin des Hochlands sein.«
»Und du?«, fragte sie.
Ich ging zum Fenster. Auf der Anhöhe, wo die Bogenschützen des Fürsten in Stellung gegangen waren, herrschte noch immer großes Durcheinander. Inzwischen hatten sich die Trolle vermutlich in ihre Höhlen zurückgezogen, aber welche Soldaten möchten schon Aufstellung beziehen, während sie fürchten, dass eine schwarze Pranke erscheint und ihnen den Kopf abreißt?
»Und du?«, wiederholte Miana.
»Schwer zu sagen.« Ich nahm das Kupferkästchen aus seinem Beutel. Am vergangenen Abend hatte ich vor diesem Fenster gesessen und den kleinen Kasten betrachtet. Ein Kelch, das Kästchen, ein Messer. Trinken, um zu vergessen; den Deckel öffnen, um sich zu erinnern; oder das Messer, um alles zu beenden. »Es ist schwer zu sagen, wenn man nicht weiß, wer man ist.«
Ich hielt mir das Kästchen vor die Augen. »Geheimnisse. Ich habe dich mit Geheimnissen gefüllt, und es ist noch ein Geheimnis übrig, schwärzer als die anderen.« Gewisse Wahrheiten sollten vielleicht für immer unausgesprochen bleiben. Manche Türen sollte man nicht öffnen. Ein Engel hatte mich einmal aufgefordert, all das Üble loszulassen, das ich zu fest an mich drückte, und mich von den Fehlern zu befreien, die mir Gestalt gaben. Was dann von mir übrig bliebe, hätte Vergebung erfahren und dem Engel in den Himmel folgen können. Ich hatte abgelehnt.
Bergstürze, eine Lawine und Trolle, das alles spielte keine Rolle. Das Heer des Fürsten von Pfeil würde uns trotzdem zermalmen. Mit solchen Mühen zu kämpfen und dem Sieg nicht einmal nahe zu kommen … Das war bitter.
Ich hatte dem Tod oft gegenüberstanden, manchmal mit Überlebenschancen nicht größer als jetzt, aber zum ersten Mal sah ich dem Ende als gebrochener Mann entgegen, mit einem Teil des eigenen Selbst in einem Kästchen verschlossen. Luntar hatte in seiner brennenden Wüste vollbracht, was dem Engel verwehrt geblieben war. Er hatte etwas von mir genommen und einen Kompromiss hinterlassen, der in Jorg Ankraths Stiefeln umherlief.
Öffne das Kästchen nicht.
Der tote Knabe beobachtete mich aus der Ecke des Zimmers, als hätte er dort immer gestanden und schweigend Tag für Tag auf diesen Moment gewartet, auf die Gelegenheit, meinem Blick zu begegnen. Bleich war er, aber ohne Wunden, ohne besondere Merkmale, abgesehen von den fischbauchweißen Abdrücken auf seiner Haut, wie die Narben, die Chellas tote Diener vor langer Zeit an Gogs kleinem Bruder hinterlassen hatten.
Wenn du es öffnest, wird das, was ich für dich getan habe, rückgängig gemacht.
Ich drehte das Kästchen, bis das Licht auf die Dornenmuster fiel. Zum Teufel mit Luntar, und zum Teufel mit dem toten Kind. Wenn ich Pfeils Legionen zum letzten Mal gegenübertrat, wollte ich ganz sein.
Wenn du es öffnest, bist du erledigt.
Meine Hände zitterten nicht am Kupfer. Dafür war ich dankbar. Ich klappte den Deckel hoch, und damit nicht genug. Mit einer schnellen Bewegung löste ich ihn ganz vom Kästchen und warf ihn am blutigen Laken vorbei.
Öffne auf keinen Fall das Kästchen.
Ich bin wieder in Friar Glens Zimmer, erhellt vom Glühen des Heiden, und sofort verlangt es meine Hände danach, ihn zu töten.
»Es gab Blut und Schleim«, sagt Sageous. Er lächelt. »Saraem Wics Gifte bewirken so etwas. Aber ein Kind gab es nicht. Ich bezweifle, dass es jetzt jemals eins geben wird. Die Gifte der alten Hexe sind nicht sehr freundlich. Sie kratzen eine Gebärmutter leer.«
Ich finde die Klinge und nähere mich Sageous. Ich versuche zu laufen, habe jedoch das Gefühl, durch tiefen Schnee zu stapfen.
»Dummer Junge. Glaubst du, ich bin wirklich hier?« Er versucht nicht, zu entkommen.
Ich bemühe mich, ihn zu erreichen, aber ich stolpere.
»Ich bin nicht einmal in dieser Stadt«, sagt Sageous.
Frieden umhüllt mich. Ein honigsüßer Traum von Sonnenschein, Kornfeldern und spielenden Kindern.
»Du glaubst, ich bin wie du, Jorg.« Er schüttelt den Kopf, und Schatten huschen durchs Zimmer. »Rachgier hat dich durch Königreiche getrieben, und du glaubst, dass es mir ähnlich geht. Ich bin nicht hier, um dich zu strafen. Ich hasse dich nicht. Ich liebe alle Menschen gleichermaßen. Aber du musst gebrochen werden. Du hättest mit
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