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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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wo sentimentale Damen und törichte Kinder ihre Tiere begraben.
    Nichts.
    Vor langer Zeit habe ich gelernt: Wenn man an der Vordertür nicht bekommt, was man will, muss man es mit der Hintertür versuchen. Ich kenne eine Hintertür jenes Friedhofs. Es war kein Weg, den ich unbedingt beschreiten wollte, aber ich würde ihn trotzdem nehmen.
    Als ich sehr jung gewesen war, etwa sechs, hatte ein Herzog meinen Vater besucht, ein Mann aus dem Norden, mit weißblondem Haar und einem Bart, der bis auf die Brust reichte. Alarich von Maladon. Der Herzog brachte meiner Mutter ein Geschenk mit, ein Wunder der alten Welt. Etwas Glänzendes, das sich hinter Glas bewegte, erst verborgen in der großen Hand des Herzogs und dann in den Falten von Mutters Gewand.
    Ich wollte das Etwas, das ich nur kurz gesehen und nicht verstanden hatte. Aber solche Geschenke waren nicht für kleine Prinzen bestimmt. Mein Vater nahm es und legte es in die Schatzkammer, damit es dort Staub ansetzte. Das erfuhr ich durch heimliches Lauschen.
    Die Schatzkammer der Hohen Burg liegt hinter einer Eisentür mit drei Schlössern. Es ist keine Erbauer-Tür, aber ein Werk
der Turkmenen, schwarzes Eisen mit hundert Nieten. Wenn man sechs ist, stellen die meisten verschlossenen Türen ein Problem dar. Diese präsentierte gleich mehrere.
    Eine meiner ersten Erinnerungen besteht darin, dass ich mich von einer hohen Brüstung in den Wind beuge, dass ich im Regen lache, den mir die Böen entgegenwerfen. Die nächste Erinnerung betrifft zwei Hände, die mich zurückziehen.
    Wenn man entschlossen ist, wenn man etwas wirklich will, gibt es nicht genug Hände, um einen zurückzuziehen. Im Alter von sechs Jahren kannte ich die Hohe Burg von außen ebenso gut wie von innen. Die Erbauer hatten kaum etwas hinterlassen, das ein Kletterer nutzen konnte, aber Jahrhunderte der Flickschusterei durch die Ankraths – und durch das Haus Or vor uns – gaben meinen kindlich kleinen Füßen genug Halt.
    Die königliche Schatzkammer hat ein einzelnes hohes Fenster, in einer schlichten Mauer dreißig Meter über dem Boden, zu schmal für einen Mann und von einem Wald aus Gitterstäben geschützt, so dicht beieinander, dass es selbst einer Schlange schwer fiele, sich hindurchzuzwängen. Auf der anderen Seite der Burg, unweit des Thronraums, gibt es ein Loch, das zum Kopf eines Wasserspeiers auf der Außenmauer führt. Wenn sich die Tür der Schatzkammer öffnet, so bewegt sich die Luft in der Burg, und diese Bewegung lässt den Wasserspeier sprechen. An einem stillen Tag stöhnt er, und ein Heulen wird daraus, wenn Wind weht. Er spricht auch, wenn der Wind aus dem Osten kommt, und die Läden eines bestimmten Fensters im Vorratsraum der Küche nicht geschlossen sind. Wenn das passiert, gibt es Wirbel, und jemand wird mit Seil und Draht geschlagen. Ohne das hohe Fenster der Schatzkammer würde der Wasserspeier nicht sprechen, und der König würde nie erfahren, wann sich die Tür zu seinen Schätzen öffnet.
    In einer mondlosen Nacht brach ich auf. William lag in seinem kleinen Bett. Niemand sah mich gehen, nur unser großer Hund Gerechtigkeit. Er gab ein vorwurfsvolles Jaulen von sich und machte dann Anstalten, mir zu folgen. Ich brachte ihn mit leisen Flüchen zum Schweigen und schloss die Tür, bevor er das Zimmer verlassen konnte.
    Die Gitterstäbe sehen stabil aus, aber wie so viele Dinge, auf die wir uns im Leben verlassen, sind sie völlig verrottet. Rost hat sie gefressen. Selbst jene mit Stahl in ihrem Kern lassen sich mit genug Hebelkraft biegen. Eines Nachts, als meine Amme schlief und die drei Soldaten der Mauerwache darüber stritten, wer die Silbermünze behalten durfte, die sie beim Wachwechsel auf den Stufen gefunden hatten, kletterte ich an einem verknoteten Seil hinab, um mir die Reichtümer meines Vaters anzusehen. Ich strich mir Rost von der Kleidung, schüttelte mir große Flocken davon aus dem Haar und stellte die jetzt offene Laterne auf den Boden.
    Das Raubgut der Ankraths, aus fast allen Ecken des Reiches gestohlen, lag auf steinernen Regalen, quoll aus Truhen und war achtlos aufeinandergestapelt. Rüstungen, Schwerter, Goldmünzen in Holzröhren, Mechanismen, die wie Teile von Insekten aussahen – das alles glänzte im Schein der Laterne und erfüllte die Luft mit seltsamen Gerüchen, wie eine Mischung aus Zitrone und Metall. Ich fand das Gesuchte neben einem Helm voller Zahnräder und Asche.
    Das Geschenk des Herzogs enttäuschte mich nicht. Unter einer

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