Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
Vom Netzwerk:
hatte. Ich drehte das Kästchen hin und her. Es enthielt nichts Gutes, nur mich. Und ein Mann sollte ein wenig Furcht vor sich selbst haben, oder? Vor dem, was er tun könnte. Sich selbst zu kennen, muss schrecklich langweilig sein. Ich legte das Kästchen ganz unten in die Satteltasche und ließ es ungeöffnet. Nach Katherine fragte ich nicht. Von Grumlow nahm ich ein neues Messer entgegen, und anschließend setzten wir den Weg nach Heimrift fort.
    Wir ritten nach Norden, über weite Fluren, wo der Wind das Frühlingsgras in ein wogendes Meer verwandelte und eine grüne Welle der anderen folgte. Ein Land ideal für Pferde, fürs
Galoppieren, für die Jagd zwischen den dunklen Grenzen der Wälder. Ich ließ Brath freien Lauf, und er stürmte los, als wäre die Hölle hinter uns her, was nicht nur ihn erschöpfte, sondern auch mich. Die Brüder hielten mit, so gut sie konnten – wir alle wollten Thar so weit wie möglich hinter uns lassen. Dort brannten noch immer alte, unsichtbare Feuer. In tausend Jahren könnte der Honasberg, wo ich eine Erbauer-Sonne entzündete, wie Thar sein, ein Versprochenes Land, das irgendwann zu den Menschen zurückkehren würde, uns derzeit aber nicht liebte.
     
    Als wir uns an jenem Abend schlafen legten, sah ich den Knaben zum ersten Mal, tot im hohen Gras am Rand unseres Lagerplatzes. Ich warf meine Decke beiseite und ging zu ihm, beobachtet von Gorgoth, und von Gog, der jetzt neben ihm schlief. Die Stelle, wo das Kind gelegen hatte, war leer. Ich roch etwas, vielleicht einen Hauch von weißem Moschus. Mit einem kurzen Schulterzucken kehrte ich zurück und legte mich wieder hin. Gewisse Dinge bleiben besser vergessen.
    Am nächsten und auch am übernächsten Tag ritten wir am Ufer des Reim entlang, der zwischen Thurtan und den Nachbarn im Osten fließt. Das Reim-Land war einst der Garten des Kaiserreichs, mit großer Sorgfalt bewirtschaftet. Man verschiebe die Grenzen eines Reiches mehrmals über einen Garten, und es bleiben nur Dreck und Ruinen übrig.
    Einmal ritten wir durch eine große Ansammlung alter Steine. Aberhunderte waren es, und in Reih und Glied standen sie, einzelne Blöcke nicht größer als ein Mann und ein bisschen breiter, neben- und hintereinander aufgestellt, von Moos und Flechten überzogen. Hohes Gras umwogte sie. Schon vor den Erbauern waren sie alt gewesen, hatte Lundist mir erzählt,
alt schon vor den Griechen. Eine sonderbare Macht pulsierte zwischen den Monolithen, und ich trieb die Brüder zu unvernünftiger Eile an, um die Steine hinter uns zu wissen.
    Am vierten Tag fiel leichter Regen, vom Morgen bis zum Abend. Ich ritt eine Zeit lang neben Maical, der sanft im Sattel des Grauschimmels schaukelte. Beim Reiten bewegte er sich wie ein Mann auf See, unser Maical, neigte sich vor und zurück, vor und zurück. Es steckte nicht eine Unze Eleganz in ihm.
    »Magst du Hunde, Maical?«, fragte ich.
    »Rindfleisch ist besser«, sagte er. »Oder eine gute Lammkeule.«
    Ich setzte ein Lächeln auf. »Oh, das ist eine neue Perspektive. Ich dachte, du magst Rinder und Ziegen wegen ihrer Dummheit.« Ich wusste nicht, warum ich Maical hänselte. Ein Teil von mir mochte ihn sogar, fast.
    Ich erinnerte mich daran, wie ich einmal nach dem Auskundschaften des Ortes Mabberton zu unserem Lager am weichen Rand der Ken-Sümpfe zurückkehrte. Ich kam über den Sumpfweg und überließ es Gerrod, einen Weg durch Büschel und Wollgras zu finden. Zuerst dachte ich, das Gekreische käme von einer jungen Frau, die dumm genug gewesen war, sich von einigen Brüdern erwischen zu lassen. Aber wie sich herausstellte, stammte es von zwei der Jungs, die einen gefesselten Hund mit etwas Spitzem anstießen.
    Ich schwang mich aus dem Sattel, packte sie an den Haaren  – der eine Schopf schwarz, der andere rot – und riss sie zurück. Beide beschwerten sich lautstark, und einer erhob in seinem Zorn sogar die Hand gegen mich. Ich schnitt sie für ihn auf.
    »Das h-hätteste nich’ tun sollen, Bruder Jorg«, sagte Gemt
und hielt sich die verletzte Hand. Blut strömte aus der Wunde und tropfte zu Boden.
    »Nein?«, hatte ich gefragt, als die Brüder zusammenkamen. »Und wo bin ich gewesen, Bruder Gemt, während du dein Kampfgeschick an diesem wertlosen Köter zu verfeinern versucht hast?«
    Jobe stand neben Gemt und rieb sich die Stelle, an der ich sein Haar gepackt und ihn weggezerrt hatte. Ich richtete einen demonstrativen Blick auf den Hund, woraufhin sich Jobe bückte und ihn

Weitere Kostenlose Bücher