König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
losschnitt.
»Du hast den Ort beobachtet«, sagte Gemt, sein Gesicht hochrot.
»Ich habe Mabberton ausgekundschaftet, ja«, sagte ich. »Damit wir dort mit etwas erscheinen können, das dein dummer Bruder ›Elefant der Überraschung‹ nennt. Was euch betrifft … Ihr solltet euch einfach nur versteckt halten und unauffällig sein.«
Gemt spuckte und hielt sich mit der linken Hand die Schnittwunde in der rechten zu.
»Unauffällig solltet ihr sein, habe ich gesagt. Es war nicht die Rede davon, den ganzen verdammten Sumpf, von der ersten Kaulquappe bis zur letzten Kröte, mit dem Geheul eines Hunds aufzuwecken. Außerdem …« Ich drehte mich langsam und ließ meinen Blick über die Brüder streichen. »Jeder weiß, dass das Quälen eines Hunds Pech bringt. Das wüsstet ihr alle, wenn ihr nicht zu dumm zum Lesen wärt.«
Makin war als einer der ersten zur Stelle gewesen, um sich das Spektakel anzusehen, und ein breites Grinsen zeigte sich in seinem Gesicht. »Ich kann lesen«, sagte er und überraschte damit nicht wenige der Brüder. »In welchem Buch steht dies geschrieben, Bruder Jorg?«
»Im großen Buch mit dem Titel ›Leck mich am Arsch‹«, erwiderte ich.
»Das Quälen von Hunden bringt also Pech?«, fragte Makin und grinste noch immer.
»Wenn es in meiner Nähe geschieht, ja«, hatte ich gesagt.
Ich blinzelte und stellte fest, dass wir noch immer neben dem Reim ritten und mir nach wie vor Regen übers Gesicht lief. Ich schüttelte die Erinnerung ab. »Erinnerst du dich an den Hund, den dein Bruder fand, bevor wir über Mabberton herfielen, Bruder Maical?«, fragte ich. Natürlich erinnerte er sich nicht. Maical erinnerte sich an kaum etwas.
Er sah mich an, schürzte die Lippen und spuckte Regen. »Es bringt Pech, Hunde zu quälen«, sagte er.
»Deinem Bruder hat es Pech gebracht«, sagte ich. »Am nächsten Tag hatte er einen Unfall.«
Maical runzelte verwirrt die Stirn und nickte langsam. »Jeder weiß, dass man sein Essen nicht quält«, sagte er. »Es macht das Fleisch zäh.«
»Eine weitere neue Perspektive, Bruder Maical.« Ich seufzte. »Ich wusste, dass ich dich aus gutem Grund bei uns behalten habe.«
Am nächsten Morgen kehrte der Hund zurück, kurz bevor wir Mabberton angriffen, als hielte er mich für einen Freund oder so. Wollte nicht von meiner Seite weichen, bis ich ihm ein paar ordentliche Tritte gab, die ihm klarmachten, wie die Welt funktioniert.
Maical zeigte nur ein leeres Lächeln und ritt weiter.
Heimrift liegt im Herzogtum Maladon, einem Land, wo ein hungriges Meer das wenige anspülte, das es vom Dänland nicht verschlingen konnte. Vom Renar-Hochland führt ein
ziemlich alter Weg dorthin, mit vielen langen Kurven, die bedeuteten, dass wir Wochen unterwegs sein würden. Auf der Straße entwickelt man schnell eine gewisse Routine. Meine betraf jeden Abend, bevor das Licht des Tages der Nacht wich, eine Stunde anstrengenden Schwertkampf mit Makin. Ich entwickelte ein neues Interesse an dieser Kunst. Eine frische Herausforderung hilft einem dabei, nicht über Vergangenes nachzugrübeln.
Ich hatte das Schwert als ein Mittel gesehen, Tod durch eine Menge zu tragen. Mit den Brüdern fand ich mich oft inmitten ungeübter Gegner wieder, die mehr an Flucht als an Kampf interessiert waren, und ich hatte meine Klinge benutzt, sie niederzumetzeln. Natürlich war ich auch geschickteren Kontrahenten begegnet, Soldaten, die uns den Garaus machen sollten, Söldnern als Wachen von Kaufmannswagen, gelegentlich auch anderen Räubern und ihren eigenen Brüdern, die es auf unsere Beute abgesehen hatten.
Als ich Katherines Meisterkämpfer im Kampf gegen Sir Makin sah, und später, als ich selbst gegen den Fürsten von Pfeil antrat, verstand ich den Unterschied zwischen Handwerk und Kunst. Natürlich kann man zum Künstler werden, wenn man nicht befürchten muss, dass sich von hinten ein Bauer heranschleicht und versucht, einen mit einer Forke aufzuspießen, während man mit eindrucksvollen Finten und Paraden angibt.
Deshalb übte ich mit Makin, Tag für Tag, legte mir die richtigen Muskeln zu und lernte, die leichten Unterschiede mit der Klinge zu spüren, auch wenn so hart auf sie eingedroschen wird, dass man sie am liebsten loslassen möchte. Jedes Mal, wenn ich ein bisschen besser wurde, verlangte er mir noch mehr ab. Ich begann ihn zu hassen, nur ein wenig.
Wenn man oft genug ein Schwert schwingt und oft genug damit kämpft, so entdeckt man nach und nach einen gewissen Rhythmus.
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