König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
kann, am höchsten Punkt der Hohen Burg. Dort bin ich allein, mit den Krähen und dem Wind. Der Turm enthält nur eine Glocke, groß und aus Eisen. Sie wird nie geläutet. Jetzt erfüllt sie wenigstens einen Zweck und schützt mich vor dem Wind.
Der Wunsch, allein zu sein, wird immer größer. All die Frauen, sie gehen mir auf die Nerven, selbst jene, die es gut meinen. Es gibt keinen Frieden in der Burg, nur das Gefühl, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, etwas, das ich weder benennen noch berühren kann.
Ich habe hier oben Initialen gefunden: H. J. A. Man kann sie auf der anderen Seite sehen, wo der Turm über die Außenmauer der Burg ragt. Es gibt keine Möglichkeit für mich, sie
zu erreichen. Es sagt etwas über Honorous Jorg Ankrath, dass selbst sein Name außerhalb meiner Reich weite bleibt.
Heute kam Sageous zu mir. Bis zur Tür kam er. Der Fürst von Pfeil ist wieder da. Der Fürst und sein Bruder, Orrin und Egan. Sareth meinte, sie würden zurückkehren. Sie sagte, sie würden zurückkehren und bei mir herumschnüffeln. So hat sie sich ausgedrückt. Als ob sie Hunde wären, und ich eine läufige Hündin.
Ich glaube, ich bin es nicht. Läufig, meine ich. Was die Hündin betrifft … Ich kann ein ziemliches Miststück sein, jeden Tag. Heute habe ich Maery Coddin zum Weinen gebracht, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte.
Trotzdem, an Orrin ist etwas seltsam, und auch an Egan. Großmutter würde sagen, dass sie zu hell brennen. Zu hell für gewöhnliche Leute, würde sie sagen. Nun, ich habe mich nie für gewöhnlich gehalten. Aber wenn sie wirklich hell brennen, wenn sie mich mit Hitze erfüllen, mich heiß machen – was dann? Vielleicht habe ich sie heiß gemacht. Warum sonst sollten sie einen Mond nach ihrem ersten Besuch zur Hohen Burg zurückkehren? Um die angenehme Gesellschaft von König Olidan geht es dabei wohl kaum. Orrins Charme und Egans Bedrohung dürften den unheimlichen alten Mann kaum beeindrucken. Ich glaube, nicht einmal der Teufel könnte ihm imponieren. Ich glaube, er würde sich nicht einmal dann verbeugen, wenn Gott höchstpersönlich einen Engel zu ihm schickte.
Sareth meint, beide Pfeile zeigen in meine Richtung. Sie hat ein schmutziges Mundwerk. Sie sagt, beide werden um meine Hand anhalten. Obwohl ich nicht Scorrons erste Tochter bin und Vater bereits Olidan Bündnis und Land versprochen hat. Sie sagt, beide werden um meine Hand anhalten, aber
es ist nicht die Hand, an der sie interessiert sind, oder meine Aussteuer. Sie sagte noch mehr, aber ihr Mund ist schmutziger als mein Federkiel, trotz der schwarzen Tinte. Und wenn sie mich fragen, was soll ich dann sagen? Es scheint kaum möglich zu sein, dass sie Brüder sind, der eine so hell und gut wie mein Sir Galen, der andere so dunkel und verlockend wie Jorg, der ihn umbrachte.
Letzte Nacht habe ich erneut geträumt. Beim Erwachen sprach ich die Worte des Traums, und jetzt erinnere ich mich nicht mehr an sie. Dafür erinnere ich mich an ein Messer, an ein langes Messer. Ich weiß, dass ich es benutzen muss. Ich erinnere mich daran, dass Jorg mir wehtat. Ich sollte mir die früheren Einträge dieses Tagebuchs ansehen, aber aus irgendeinem Grund wollen meine Hände nicht zurückblättern, nur nach vorn. Auch davon habe ich geträumt.
Sageous ist wieder an der Tür. Der Fürst und sein Bruder warten.
Die Augen dieses Mannes gefallen mir nicht.
Gorgoth ist mit niemandem zu vergleichen. Die Leucrota
passen in kein Schema. Vom Gift der Erbauer verändert,
fallen sie gebrochen aus dem Mutterleib und folgen beim
Aufwachsen seltsamen Wegen. Gorgoths Rippen, die sein Fleisch
durchdringen und sich von beiden Seiten über den Brustkorb
wölben, sind schwarz und dick, und seine Haut ist rot wie Blut.
Darunter wölben sich Muskeln, wenn er sich bewegt. Zwar ist
seine Gestalt wie geschaffen für Krieg und Schrecken, aber es
gibt wenige Menschen nach Adams Abbild, deren Zustimmung
mir mehr bedeutet – und die meisten von ihnen sind tot.
14
Vier Jahre zuvor
Einen Tag, nachdem wir den Sand von Thar verlassen und damit begonnen hatten, durchs thurtanische Grasland zu reiten, nahm ich das Kästchen von Makin entgegen. Ich fühlte die scharfen Kanten der verlorenen Erinnerungen durch die kupfernen Wände und spürte das Gift in ihnen. Makin sagte mir einmal: Einem Mann, der keine Furcht hat, fehlt ein Freund. Mit den Dornenmustern voller Unbehagen in der Faust dachte ich, dass ich diesen Freund vielleicht gefunden
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