Koenig der Murgos
»Prala!«
Das Mädchen, das aus der Dunkelheit hinter dem Thron he-raustrat, war schlank und etwa sechzehn. Sie trug ein schwarzes Gewand und hatte langes, glänzend schwarzes Haar. Die dunklen, schrägen Augen, die die meisten Murgos so fremdar-tig wirken ließen, waren in ihrem Fall sehr groß, von hübscher Mandelform und verliehen ihren Zügen eine exotische Schönheit. Ihr Ausdruck jedoch war von einer Entschlossenheit, wie man sie bei einem so jungen Menschen selten fand. Sie trat zu Lady Tamazins Stuhl und half ihr hoch.
Urgits Gesicht verdunkelte sich, und seine Augen wurden hart, als er zusah, wie seine Mutter vom Podest hinunterhinkte und sich dabei schwer auf das Mädchen stützte. »Eine kleine Aufmerksamkeit des unschätzbaren Taur Urgas«, wandte er sich an Sadi. »Eines Abends, als er besonders verspielt war, stieß er meine Mutter eine Treppe hinunter, und sie brach sich die Hüfte. Seither hinkt sie.«
»Ich habe mich damit abgefunden, Urgit.«
»Es ist erstaunlich, wie all unsere kleinen Wehwehchen und unsere Schmerzen gleich besser wurden, nachdem König Cho-Hags Säbel durch die Gedärme meines Vaters drang!« Nach einer kurzen Pause fuhr Urgit fort: »Ich frage mich, ob es schon zu spät ist, Cho-Hag noch eine kleine Aufmerksamkeit zu schicken?«
»Oh«, sagte die Königinmutter zu Polgara, »das ist Lady Prala, eine Prinzessin aus dem Hause Cthan.«
»Prinzessin«, grüßte Polgara das schlanke Mädchen, das La-dy Tamazin zur Seite stand.
»Meine Lady«, entgegnete Prala mit klarer Stimme.
Auf Pralas Schulter gestützt, humpelte Lady Tamazin aus dem Saal, dicht gefolgt von Polgara, Ce'Nedra und Sammet.
»Aus irgendeinem Grund macht diese Maid mich sehr nervös«, gestand Urgit Sadi. »Meine Mutter hält sehr viel von ihr, aber ihre Gedanken sind anderswo. Ständig sieht sie mich an!«
Er schüttelte den Kopf, als wolle er einen unangenehmen Gedanken loswerden. »Du und deine Leute, ihr hattet einen an-strengenden Tag, Sadi. Wir können uns morgen weiter unterhalten, nachdem wir gründlich ausgeschlafen haben.« Er langte nach einer Seidenkordel und zog. Irgendwo außerhalb des Thronsaals erdröhnte ein schwerer Gong. Urgit rollte die Augen zur Decke. »Warum müssen es immer dieses Dröhnen und die hallenden Schläge sein?« beschwerte er sich. »Ich möchte einmal an einem Glockenstrang ziehen und ein melodisches Klingeln hören.«
Die Tür am hinteren Ende des Thronsaals öffnete sich, und ein breitschultriger Murgo Ende des mittleren Alters trat ein.
Sein Haar war grau, sein narbiges Gesicht tief gefurcht. Er sah nicht so aus, als hätte er je gelächelt. »Eure Majestät haben ge-läutet?« fragte er mit rasselnder Stimme.
»Ja, Oskatat«, antwortete Urgit eigenartig respektvollen Tons. »Glaubt Ihr, Ihr könntet für die Unterbringung meines guten Freundes Sadi und seiner Diener sorgen?« Er wandte sich wieder an Sadi. »Oskatat ist der Lord Seneschall hier«, erklärte er. »Er diente meinem Vater in der gleichen Position in Rak Goska.« Keine Spur seines üblichen Spottes schwang aus seiner Stimme, als er fortfuhr: »Meine Mutter und ich waren im Haus meines Vaters nicht sehr beliebt, und Oskatat war der einzige Freund, den wir dort hatten.«
»Mein Lord.« Sadi verbeugte sich tief vor dem Grauhaarigen.
Der Seneschall dankte mit einem knappen Nicken, dann richtete er den freudlosen Blick wieder auf den König. »Hat Lady Tamazin sich für die Nacht zurückgezogen?«
»Ja, Oskatat.«
»Dann solltet Ihr auch zu Bett gehen. Es ist schon spät.«
»Ich war bereits auf dem Weg«, antwortete Urgit und sprang rasch auf. Dann hielt er inne. »Oskatat«, sagte er klagend, »ich bin kein kränklicher, kleiner Junge mehr. Ich brauche nicht mehr zwölf Stunden zu schlafen wie früher.«
»Die Bürden, die die Krone mit sich bringt, sind vielfach«, entgegnete der Seneschall. »Ihr benötigt Eure Ruhe.« Er wandte sich an Sadi. »Folgt mir.« Er ging zur Tür.
»Dann also bis morgen, Sadi«, verabschiedete sich Urgit.
»Schlaf gut.«
»Danke, Eure Majestät.«
Die Gemächer, zu denen Oskatat sie führte, waren so schreiend wie der Rest des Drojimpalasts. Die Wände waren in einem unangenehmen Senfgelb gestrichen und mit bunten Gobelins behängen. Das Mobiliar war aus kostbaren, seltenen Hölzern, doch mit übertriebener Schnitzerei, und der blaue malloreanische Teppich war so dicht wie die Wolle auf dem Rücken eines Schafes. Nachdem er die Tür für sie geöffnet hatte,
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