Koenig der Murgos
wurde, doch jetzt bin ich der einzige Sohn Urgas, der überlebt hat.« Er schauderte. »Welch ein bedrückendes Thema, findest du nicht? Unterhalten wir uns lieber über etwas anderes. Was machst du eigentlich in Cthol Murgos, Sadi? Ich dachte, du wärst Salmissras rechte Hand.«
Sadi hüstelte. »Ihre Majestät und ich hatten eine kleine Mei-nungsverschiedenheit, da hielt ich es für besser, Nyissa für eine Weile zu verlassen.«
»Aber warum Cthol Murgos? Warum bist du nicht nach Tol Honeth? Das ist viel zivilisierter und viel, viel schöner.« Wieder seufzte er. »Ich würde alles geben, wenn ich in Tol Honeth leben dürfte.«
»Ich habe mir ein paar mächtige Feinde in Tolnedra gemacht«, antwortete Sadi. »In Cthol Murgos kenne ich mich aus, also warb ich diese alornischen Abenteurer zu meinem Schutz an, kam hierher und gebe mich als Sklavenhändler aus.«
»Und dann hat Jaharb dich entdeckt. Armer, alter Sadi. Egal, wohin du dich begibst, du wirst offenbar überall in Politik verwickelt – auch gegen deinen Willen.«
»Es ist ein Fluch«, sagte Sadi düster, »der mich schon mein ganzes Leben verfolgt.«
Sie bogen um eine Ecke und kamen zu einem riesigen Bau, den eine hohe Mauer umgab. Seine Kuppeln und Türme erhoben sich in barbarischer, fackelerhellter Vielfalt, und im Ge-gensatz zum Rest der Stadt war er in einem halben Dutzend sich gegenseitig schneidenden Farben gestrichen.
»Hier siehst du den Drojimpalast!« sagte Urgit mit betonter Großspurigkeit zu Sadi. »Das Königshaus derer von Urga!«
»Ein sehr ungewöhnliches Bauwerk«, murmelte Sadi.
»Welch diplomatische Formulierung.« Urgit betrachtete seinen Palast kritisch. »Er ist schreiend, häßlich und verrät grauenvollen Geschmack. Aber er paßt fast perfekt zu meiner Persönlichkeit.« Er wandte sich an einen seiner Gardisten.
»Seid so gut und reitet voraus«, wies er ihn an. »Sagt den Torhütern, der König kommt, und daß er ihnen die Ohren abschneiden lassen wird, wenn er warten muß, bis sie das Tor öffnen.«
»Sofort, Eure Majestät.«
Urgit grinste Sadi an. »Eines meiner wenigen Vergnügen.
Die einzigen Leute, die ich herumkommandieren, und denen ich Angst machen darf, sind Diener und niedrige Dienstränge.
Dabei haben alle Murgos das Bedürfnis, andere einzuschüchtern.«
Sie ritten durch das hastig aufgerissene Tor und saßen auf einem im Fackelschein rötlichen Hof ab. Urgit schaute auf die bunt bemalten Hauswände. »Grauenvoll, nicht wahr?« Er schauderte. »Gehen wir hinein.«
Am Kopf einer Freitreppe traten sie durch eine riesige Tür, und Urgit führte sie einen Korridor entlang. Vor einer auf Hochglanz polierten Flügeltür, die von zwei Gardisten bewacht wurde, blieb er stehen. »Nun?« sagte er zu den beiden.
»Jawohl, Eure Majestät?«
»Glaubt ihr, daß ihr euch die Zeit nehmen könntet, mir die Tür zu öffnen? Oder möchtet ihr lieber sogleich an die Front versetzt werden?«
Hastig riß ein Gardist die Tür auf.
»Sehr gut, mein Junge. Nur versuche das nächste Mal, sie nicht gleich aus den Angeln zu reißen!« Der König schritt durch die Tür. »Mein Thronsaal!« erklärte er mit grandioser Geste. »Das Ergebnis vieler Generationen krankhafter Vorstellungskraft.«
Der Saal war größer als die Halle der Rivanischen Könige in Garions Zitadelle. Die Decke bestand aus einer Wirrnis sich überschneidender Gewölbe, ganz mit Blattgold aus den Minen von Cthol Murgos überzogen. Wände und Säulen waren mit Edelsteinen besteckt, und die Stühle entlang den Seiten waren mit angarakanischem Gold eingelegt. Am Ende des Saales stand ein juwelenglitzernder Thron vor blutroten Wandbehängen. Auf einem einfachen Stuhl neben dem Thron saß eine silberhaarige Dame, die mit einer Stickarbeit beschäftigt war.
»Gräßlich, nicht wahr?« sagte Urgit. »Die Urgas plündern seit Jahrhunderten die Schätze von Rak Goska, um den Drojimpalast zu verzieren, aber das Dach ist undicht, kannst du dir das vorstellen?«
Mit raschen Schritten ging er zum Saalende und hielt vor der schwarzgewandeten Dame an, die immer noch eifrig stickte. »Mutter«, begrüßte er sie mit einer leicht spöttischen Verbeugung, »du bist heute aber lange auf!«
»Ich brauche nicht mehr soviel Schlaf wie in jüngeren Jahren, Urgit.« Sie legte ihre Stickerei zur Seite. »Außerdem«, füg-te sie hinzu, »unterhalten wir uns gewöhnlich über die Ereignisse des Tages, ehe du dich zur Ruhe begibst.«
»Das ist die schönste Stunde des Tages für
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