Koenig der Murgos
zusammengezuckt. Obgleich der schwarze Bart abrasiert war, bestand kein Zweifel an der Identität des Mannes: Es war Harakan!
»Da ist noch etwas, das Eure Majestät wissen sollte, ehe wir uns aufs Schiff begeben«, sagte Harakan mit voller Absicht so laut und deutlich, daß alle auf dem Pier es hören konnten.
»Wußtet Ihr, daß der Mann mit dem Schwert da drüben Belgarion von Riva ist?«
Urgit riß die Augen weit auf, und alle Priester und Soldaten auf dem glitschigen Pier starrten Garion bestürzt an. Der Kö-
nig der Murgos faßte sich jedoch schnell. »Eine sehr interessante Behauptung, Kabach«, sagte er bedacht. »Es würde mich interessieren, wie Ihr darauf kommt.«
»So ein Unsinn!« rief Sadi.
Agachaks tiefliegende Augen schienen Garion durchbohren zu wollen. »Ich habe Belgarion schon persönlich gesehen«, sagte er mit Grabesstimme. »Allerdings war er damals viel jünger, doch es besteht zweifellos eine Ähnlichkeit.«
»Eine Ähnlichkeit, nicht mehr«, warf Sadi ein. »Der junge Mann steht in meinen Diensten, seit er ein Knabe war. Gewiß, es gibt einige oberflächliche Ähnlichkeiten, aber ich kann Euch versichern, daß er keinesfalls Belgarion ist!«
Silk, der unmittelbar hinter Urgit stand, wisperte seinem Bruder rasch etwas zu. Der König der Murgos war als Politiker gut genug geschult, sein Gesicht unbewegt zu halten, doch seine Augen schweiften nervös hin und her, als ihm be-wußt wurde, daß er im Mittelpunkt einer drohenden Katastrophe stand. Schließlich räusperte er sich. »Ihr habt uns noch nicht gesagt, wieso Ihr glaubt, dieser Mann wäre der rivanische König, Kabach«, sagte er.
»Ich war vor einigen Jahren in Tol Honeth«, antwortete Harakan. »Belgarion war zur selben Zeit zu einer Trauer-feierlichkeit dort. Jemand machte mich auf ihn aufmerksam.«
»Ich glaube, der edle Dagash täuscht sich«, sagte Sadi. »Wie könnte er sicher sein, wenn er Belgarion nur flüchtig aus der Ferne gesehen hat? Ich sage Euch, dies ist nicht Belgarion.«
»Er lügt!« entgegnete Harakan. »Ich bin ein Dagash, und wir sind alle ausgebildete Beobachter!«
»Da ergibt sich eine interessante Frage, Agachak.« Urgit musterte Harakan mit zusammengekniffenen Augen. »Trotz allem sind die Dagashi nach wie vor Murgos, und jeder Murgo schneidet sich das Gesicht als Blutopfer für Torak auf.« Er drehte sich um und deutete auf die zwei dünnen weißen Linien auf seiner Wange. Die kaum sichtbaren Narben des Königs waren ein Beweis, daß seine Blutopferung sich in Maßen gehalten hatte. »Schaut euch unseren Dagash dort an«, fuhr er fort, »ich sehe nicht die kleinste Narbe auf seinem Gesicht, ihr etwa?«
»Mein Ältester wies mich an, von dem üblichen Blutopfer Abstand zu nehmen«, rief Harakan rasch. »Er wollte, daß ich ungezeichnet bin, damit ich mich unerkannt in den Reichen des Westens bewegen kann.«
»Tut mir leid, Kabach«, entgegnete Urgit mit unverkennbarer Skepsis, »aber das kaufe ich Euch nicht ab. Das Blutopfer für Torak gehört zu den Mannbarkeitsriten. Wart Ihr als Kind so frühreif, daß Euer Ältester beschloß, Euch zum Spion zu erwählen, noch ehe Ihr zehn Jahre alt wart? Und selbst wenn, hättet Ihr Euch doch diesem Ritus unterziehen müssen, ehe Ihr eine Frau nehmen oder auch nur den Tempel betreten durftet.
Die Narben befinden sich vielleicht nicht auf Eurem Gesicht, doch wenn Ihr ein Murgo seid, müßt Ihr sie irgendwo haben.
Zeigt uns Eure Narben, edler Dagash! Zeigt uns den Beweis Eurer Treue zu Torak und Eures unverfälschten murgosischen Blutes.«
»Erhabener Hierarch«, sagte Sadi mit nachdenklicher Miene,
»dies ist nicht die erste Anschuldigung, die gegen einen meiner Diener erhoben wurde.« Er warf einen bedeutungsvollen Blick auf Chabat. »Besteht die Möglichkeit, daß es unter Euren Grolims eine Fraktion gibt, die den Erfolg dieser Mission verhindern möchte – eine Gruppe, die sich hinter falschen Bärten versteckt?«
»Bart!« rief Silk plötzlich, und schnippte mit den Fingern.
»Deshalb wußte ich nicht gleich, von woher ich ihn kenne! Er hat sich den Bart abgeschabt!«
Urgit blickte ihn fragend an. »Wovon redet Ihr, Bursche?«
»Verzeiht, Eure Majestät«, sagte Silk mit übertriebener Untertänigkeit. »Mir ist gerade etwas bewußt geworden, und es überraschte mich. Ich glaube, ich kann Licht in die Sache bringen.«
»Ich hoffe wahrhaftig, daß irgend jemand das kann. Also, heraus mit der Sprache.«
»Vielen Dank, Eure Majestät.« Silk
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