Koenig der Murgos
war in vollem Schwung in Tol Honeth, und die Feiernden, manche mehr als nur leicht beschwipst, torkelten und taumelten von einer Party zur anderen, denn die gro-
ßen Familien versuchten einander auszustechen mit ihrem Prunk und ihrem zur Schau gestellten Reichtum. Die prächtigen Häuser der Reichen und Mächtigen waren mit bunten Gir-landen und farbenfrohen Lampions behangen. Vermögen wurden für Bankette ausgegeben, und die Unterhaltung überschritt des öfteren die Grenzen des guten Geschmacks. Zwar waren die Feierlichkeiten im Palast dezenter, aber Kaiser Varana sah sich verpflichtet, viele Personen einzuladen, für die er persönlich Verachtung hegte.
Das Ereignis, das für diesen Abend schon lange geplant wurde, war ein Staatsbankett, gefolgt von einem großen Fest-ball. »Und ihr werdet meine Ehrengäste sein«, sagte Varana unerbittlich zu Garion und Ce'Nedra. »Wenn ich es schon über mich ergehen lassen muß, sollt ihr es nicht besser haben.«
»Ich möchte wirklich nicht, Onkel«, sagte Ce'Nedra mit traurigem Lächeln. »Ich bin wahrhaftig nicht in Stimmung für Feste.«
»Du kannst dich vom Leben nicht einfach ausschließen, Ce'Nedra«, sagte er sanft. »Eine Feier – selbst eine so lang-weilige wie die hier im Palast – hilft dir vielleicht, dich ein wenig abzulenken. Außerdem«, sagte er gerissen, »würden die Honether und Horbits und Vorduer sich den Mund fransig reden über deine Abwesenheit.«
Ce'Nedra warf den Kopf hoch, und ihre Augen wurden hart.
»Ja, das stimmt wohl.« Sie überlegte. »Aber ich habe nichts anzuziehen.«
»Ganze Schränke in den kaiserlichen Gemächern sind voll von deinen Gewändern, Ce'Nedra«, erinnerte er sie.
»Das hatte ich ganz vergessen. Na gut, Onkel, dann lasse ich dich nicht im Stich.«
So kam es, daß Ce'Nedra an diesem Abend in kremig wei-
ßem Samtgewand und einem mit Edelsteinen besteckten Krönchen auf den flammend roten Locken am Arm ihres Gemahls, des Königs von Riva, den Ballsaal betrat. Garion, in einem geborgten blauen Wams, das um die Schultern spannte, war alles andere als erfreut. Als Staatsoberhaupt auf Besuch war er gezwungen, über eine Stunde lang im großen Ballsaal mit dem Kaiser die Gäste zu empfangen und nichtssagende Erwiderungen zu den höflichen Begrüßungsworten der Horbits, Vorduer, Raniten und Boruner und ihrer oft albernen Gemahlinnen zu murmeln. Die Honether aber glänzten durch Abwesenheit.
Gegen Ende dieser schier endlosen Zeremonie erschien Javelins honigblonde Nichte, die Markgräfin Liselle, in einem auf-fallenden Gewand aus lavendelfarbenem Brokat, am Arm von Fürst Khaldon. »Nur Mut, Eure Majestät«, murmelte sie Garion zu, als sie ihren Hofknicks vor ihm machte. »Nicht einmal das dauert ewig – auch wenn es den Anschein hat.«
»Danke, Liselle«, antwortete er trocken.
Als die letzten Gäste endlich empfangen waren, mischte sich Garion höflich unter die Gäste und ließ schier endlos die fast von jedem wiederholte Bemerkung »In Tol Honeth schneit es nie« über sich ergehen.
An der hinteren Seite des kerzenerhellten Ballsaals strichen und zupften und tuteten arendische Musiker ein Repertoire von Festtagsliedern, wie sie in allen Königreichen des Westens bekannt waren. Ihre Lauten, Bratschen, Harfen, Flöten und Oboen boten einen zum größten Teil ungehörten Hintergrund zu dem Geplauder der Gäste.
»Ich hatte Madame Aldima engagiert, uns heute abend zu unterhalten«, sagte Varana zu einer kleinen Gruppe Horbits.
»Ihr Gesang sollte der Höhepunkt des Abends sein. Bedauerlicherweise hat der Wetterumschwung verhindert, daß sie das Haus verläßt. Wie ich hörte, ist sie sehr besorgt um ihre Stimme.«
»Dazu hat sie auch allen Grund«, flüsterte eine Ranitin hinter Garion ihrem Begleiter zu. »Sie war von vornherein nichts Besonderes, und die Zeit hat sie nicht besser gemacht – wahrscheinlich hat Aldima die ganzen Jahre in Schenken gesungen!«
»Es ist nicht richtig Erastide ohne Singen«, fuhr Varana fort.
»Vielleicht könnten wir eine dieser lieblichen Damen überreden, uns mit ein paar Liedern zu erfreuen?«
Eine dicke Borunerin mittleren Alters erklärte sich rasch bereit und trat zum Orchester. Mit schmetterndem Sopran, der Mühe mit den höheren Tonlagen hatte, trug sie ein altes, beliebtes Lied vor. Als es zu Ende war und sie keuchend und mit rotem Gesicht dastand, bedankten sich die Gäste des Kaisers für ihr Kreischen mit fünf Sekunden dauerndem Applaus, ehe sie
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