König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
ohne ihnen allen einen Schauer über den Rücken zu jagen. Wer immer diese Laute von sich gab litt mehr, als ein Mensch leiden sollte.
Mit einem entschlossenen Gesichtsausdruck setzte Jeshua sich in Bewegung und ging auf die Quelle des Geräusches zu. Er umging das Dorf zur Rechten und hielt dann auf einen niedrigen Bergkamm zu, der unvermittelt am Ufer des Sees abbrach und dort ein Kliff bildete. Dort hatten die Bewohner Gerasas seit Generationen Grabhöhlen in die steile Bergwand gegraben um hier ihre Toten zu bestatten. Die meisten der Grabeingänge schienen verschlossen und intakt zu sein, doch gab es auch solche, die offenbar mit Gewalt aufgebrochen worden waren und nun leer und verwaist wirkten. Ihre Eingänge gähnten wie die Mäuler urzeitlicher Monster, die vor Jahrhunderten aus dem See gestiegen waren und nun versteinert in der Felswand hockten. Leere Aughöhlen, die durch den Blick in die Unendlichkeit erblindet waren und nun das Dasein toter Geister führten. Einige der Männer grauste es bei dem Anblick und sie zogen unwillkürlich die Köpfe ein, blickten verängstigt zu den finsteren Grabhöhlen hinüber und stießen sich verlegen an. An diesem Ort fühlten die Lebenden sich nicht wohl. Die Männer wurden jetzt immer langsamer, bis sie schließlich ganz stehenblieben und verlegen hinter Jeshua her starrten. Auch dieser blieb nun stehen. Er legte den Kopf schief, als lausche er und schloss dabei die Augen.
Er erneuter Schrei durchschnitt die Luft, diesmal ganz nah aber anders als alle anderen, die sie bisher gehört hatten. Während die Schreie bislang gepeinigt und qualvoll geklungen hatten, so war dieser zornig und voll Boshaftigkeit. In einer der offenen Grabhöhlen gab es eine Bewegung und dann torkelte eine merkwürdige Gestalt ins Sonnenlicht. Es war ein Mann, der vom Sonnenlicht geblendet auf sie zuwankte. Doch er wirkte mehr wie ein Tier, halbnackt, schmutzig und mit ungeschlachten Bewegungen. Immer wieder sank er hinab und sprang dann auf allen Vieren vorwärts, dann wieder erhob er sich und hinkte mit ungeschickten und zugleich merkwürdig ruckartigen Bewegungen vorwärts. Dabei brabbelte er unverständliches Zeug und blickte wirr und hasserfüllt um sich. Rund zwanzig Meter vor Jeshua blieb er schließlich stehen und erhob sich erneut. Dann fauchte er Jeshua zornig an und schrie eine schnelle Folge merkwürdiger und fremdartig klingender Worte heraus.
„Was hat er gesagt?“, fragte Simeon flüsternd von hinten. Er hatte sich Jeshua so weit genähert, wie er es gerade eben wagen konnte. Nun stand er am ganzen Körper bebend vor Angst hinter ihm und bemühte sich dennoch, seinem Herrn eine Stütze zu sein.
Jeshua indes hob seine Hand, ohne den Mann vor sich aus den Augen zu lassen. Hier würde Simeon ihm keine Hilfe sein.
„Gehe fort von hier!“, sagte er leise.
Der Besessene sah Jeshua einen Augenblick lang sprachlos an. Dann verzog sich sein Gesicht zu einem Ausdruck des Schmerzes und der Pein und er streckte seine Hände bittend nach Jeshua aus.
„Sohn des einzig wahren Gottes!“, schrie er. „Warum verfolgst du uns? Warum vertreibst du uns von hier?“
Jeshuas Männer schrien bei diesen Worten ebenso voll Angst auf, wie viele der Dörfler, die mit hierhergekommen waren. Denn die Stimme des Besessenen klang, als ob Dutzende von Stimmen zugleich sprachen, mächtig und furchteinflößend zugleich.
„Wie ist dein Name?“, fragte Jeshua, ohne auf die Frage einzugehen.
Einen Augenblick lang schwieg der Besessene. Dann erklangen die vielen Stimmen erneut, doch sie wirkten schwach und müde.
„Mein Name ist ‚Legion‘, denn wir sind Viele…“
„Verlasst diesen Mann. Ihr habt ihn lange genug gequält!“, wiederholte Jeshua.
Ein schmerzerfüllter Aufschrei hallte von den Felswänden wider. Der Besessene sank auf die Knie und begann sich hin und her zu winden.
„Gib mir einen Ausweg…“, stammelten die Stimmen. „Lass mich… lass mich in diese Schweine dort fahren.“ Er wies auf das Plateau oberhalb des Kliffs, wo eine große Schweineherde weidete. Jeshuas Blick folgte der Geste. Dann nickte er.
„Von mir aus fahr in die Schweine“, sagte er ruhig. „Aber jetzt geh fort von hier. Ihr dürft die Seelen der Menschen verführen, ihre Körper aber dürft ihr nicht antasten!“
In diesem Augenblick setzte ein ohrenbetäubendes Kreischen und Fauchen ein. Der Körper des Besessenen wurde wild hin und her geschleudert, als die Dämonen ihn verließen. Für die
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