König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
Abständen. Das leise Klingeln von Glöckchen klang über den Hügel und Juda lachte auf.
„Hey, Jeshua. Irgendwo hier muss eine römische Kohorte exerzieren.“
Der strenge Geruch von Ziegen wehte heran und nun sahen sie die Herde rund fünfzig Meter entfernt auf einem Hügelkamm weiden. Hin und wieder drang ein Blöken zu ihnen.
„Kohorte?“, fragte Jeshua zerstreut. Sein Blick ging zwischen Juda und den Ziegen hin und her. Dann verstand er und grinste.
„Aber Juda“, ermahnte er ihn lächelnd. „Der Mensch ist doch kein Tier.“
„Aber Herr, willst du bestreiten, dass die Römer sich allzu oft wie Tiere benehmen? Sie unterdrücken, töten, quälen ihre Mitmenschen“, konterte Juda mit gespielter Entrüstung. „Es war nur ein Spaß!“
„Ich weiß, mein Freund.“ Jeshua lächelte traurig und legte im Gehen seine Hand auf Judas Schulter. „Deswegen liebe ich dich so sehr. Diese Welt ist hart und grausam. Es geschieht so viel in ihr, was falsch ist. Da ist es wichtig, dass man sich die Freude am Leben erhält und man hin und wieder lachen kann. Auch über das Böse muss man lachen können, um ihm seinen Schrecken zu nehmen.“
Juda nickte und lachte seinen Herrn an. Für ihn war das Leben an der Seite Jeshuas das Paradies selbst. In seiner Nähe fühlte er sich wohl und sicher, ihm wäre es vollkommen undenkbar erschienen, dass Jeshua und seine Gefolgschaft an dieser Welt scheitern könnten. Ebenso wie Jeshua glaubte er fest daran, dass Gott selbst an ihrer Seite schritt und für sie sorgen würde.
Juda Iskariot war in ihrer Gemeinschaft keineswegs ungewöhnlich. Bestenfalls im Alter unterschied er sich von seinen Begleitern, denn er war deutlich jünger. Sie alle hatten die Dreißig bereits überschritten. Allein Juda zählte erst fünfundzwanzig Sommer, doch war er von einer erstaunlichen Reife. Wenn Jeshua zu den Menschen in Gleichnissen sprach, geschah es oft, dass seine Zuhörer ihn nicht unmittelbar verstanden. Auch einige der Jünger mussten Jeshua hin und wieder um Erklärungen bitten. Juda hingegen nickte nach Jeshuas Geschichten stets mit einem wissenden Lächeln. Ihm bereitete es keinerlei Schwierigkeiten, die Botschaft seines Herrn zu verstehen.
Und dennoch sah er die Welt in einem gänzlich anderen Licht, als seine Kameraden. Während die anderen von der Heiligkeit ihrer Sendung zutiefst überzeugt waren und sich daher für gewöhnlich bemühten, ernst und erhaben zu wirken, hatte Juda stets einen Schalk im Nacken, konnte über sich und die anderen lachen. Nicht selten brachte ihn das in Konflikt mit seinen Kameraden, die in ihm einen oft allzu leichtfertigen Zeitgenossen sahen. Allein Jeshuas Liebe zu ihm schützte ihn vor Zurechtweisungen innerhalb der Gruppe des Zwölferkreises.
Da war zum Beispiel Simeon, den man Kephas nannte. Ein Mann von beeindruckendem Äußeren, groß, breit gebaut mit mächtigem Bart und tiefer Stimme. Wenn Simeon in einer Menschenmenge stand, nahm man ihn sofort wahr. Er hatte eine natürliche Autorität, die ganz aus ihm selbst zu kommen schien, eine einfache Art, Zusammenhänge darzustellen und Menschen zu beeindrucken. Zudem war er zutiefst von Jeshuas Botschaft überzeugt und verteidigte sie mit einem heiligen und doch einfachen Ernst, der ihn niemals wie einen dogmatischen Besserwisser oder gar einen Lehrer erscheinen ließ. Man folgte ihm gern, denn er sprach mit den Menschen eher wie ein Geschichtenerzähler, denn wie ein Erzieher. Er ermahnte und korrigierte grundsätzlich niemanden, sondern sprach eher von seiner Sicht der Dinge – ohne Vorwurf, ohne Anklage. Wenn Jeshua anwesend war, trat er vollkommen zurück, beobachtete und folgte nach bestem Wissen. Und dennoch, trotz all seiner Vorzüge mangelte es ihm an einem: niemand in der Gruppe konnte sich erinnern, ihn jemals lachen gesehen zu haben. Stets wirkte er ernst und ganz von ihrer Mission erfüllt. Es war kein Wunder, dass er dem Wesen Judas etwas distanziert gegenüberstand. Wenn Judas Lachen wieder einmal über einen Platz erschallte, blickte Simeon für gewöhnlich befremdet drein. Gott und Humor passten in seinen Augen nicht zusammen.
Ganz anders war Jakob, ein schlanker, bartloser Mann Anfang Dreißig, der oft melancholisch und in sich gekehrt wirkte. Kamen sie jedoch in ein neues Dorf und sahen die Wunder, die Jeshua dort wirkte, zog sich ein strahlendes Lächeln über sein Gesicht. In diesen Augenblicken wurde er lebendig, beteiligte sich an Diskussionen und hing zugleich an
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