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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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murmelte er. „Das ergibt keinen Sinn. Warum sollte Asasel Eleanor vor dir schützen wollen?“
    Lilith zuckte abfällig mit den Schultern. „Wer weiß schon, was diesen Irren treibt?“
    „Bist du dir sicher, dass er sich nicht mehr in deiner Nähe herumtreibt? Vielleicht hält er sich nur gut verborgen.“
    „Nein. Er war definitiv nie hier in dieser Stadt. Bislang dachte ich, dass nur Turiel meinen Aufenthaltsort kennt. Vor fünf oder sechs Jahren entdeckte er mich. Einige Wochen lang trieb er sich hier herum, suchte nach Schwachstellen, fand aber keine Möglichkeit, mir gefährlich zu werden. Schließlich gab er es auf und verschwand. Seitdem habe ich hier keinen Engel mehr wahrgenommen, bis du heute hier aufgetaucht bist.“
    „Merkwürdig. Woher wusste Asasel dann, dass du auf Eleanor treffen würdest? Ich selbst bin mir zumindest sicher, dass er Stratton Hall nicht unter Beobachtung hält.“
    „Vielleicht war es einfach Zufall?“, riet Lilith. Auch sie hatte sich in der Zwischenzeit entspannt, ihre Angriffshaltung aufgegeben und sich neben Raphael gestellt. Die Sonne war mittlerweile endgültig untergegangen und auch der letzte schwache, rote Schimmer weit weg im Westen war fast gänzlich verblasst. So blickten die zwei über die Lichter der Stadt unter ihnen. Die wenigen Vögel, die man des Tages hatte hören können, waren nun verstummt. Allein das Geräusch der Autos und gelegentliche Stimmen waren in den Straßen zu hören. Es wurde nun langsam kälter, doch weder Raphael noch Lilith froren. Ihr inneres Feuer wärmte sie und tauchte die Dachziegel um sie herum in ein angenehmes Licht.
    „Was machst du hier?“, fragte Raphael schließlich noch einmal. „Was hat es mit den Kindern auf sich, um die du dich zu kümmern scheinst?“
    Lilith wurde plötzlich still. „Sie haben niemanden“, flüsterte sie. „Ebenso wie ich.“
    Raphael wandte sich ihr zu und blickte sie aufmerksam an.
    „Ich hätte nie damit gerechnet, dass mich hier jemand finden könnte“, fuhr sie abwesend fort. „So weit ab von allem, was ihr mit mir verbindet.“
    „Siriel sagte zu mir, ich solle dich dort suchen, wo die Macht ist.“
    Lilith lachte freudlos auf. „Das glaube ich gern. So seht ihr Engel mich – als ein herzloses Wesen außerhalb jeder Ordnung.“
    „Ist es denn nicht so? Was ist mit all den Menschen, denen du geschadet hast? Was ist mit jenen Engeln, die auf deine Anweisung hin Menschen gequält haben?“
    Lilith verzog gequält das Gesicht. Sie wand sich und kämpfte. Dann jedoch begann sie zu widerstrebend erzählen. Ihre Worte kamen zunächst abgehackt und zögernd, so als müsse sie um jeden Satz kämpfen.
    „Es ist fast viertausend Jahre her, dass ich geboren wurde. Ich wuchs in einer Stadt namens Ur auf, die mir als Kind groß erschien, doch nach heutigen Maßstäben nicht viel mehr als ein Dorf war. Die Menschen damals waren ganz anders als heute, ihr Leben war in vielem hart und grausam und von unfassbaren Zwängen beherrscht. Es gab schlimme Gesetze, Todes- und Prügelstrafen. Für einen Diebstahl konnte man die Hand abgeschlagen bekommen. Freiheit, wie sie heute in einigen Ländern der Welt vorkommt, gab es damals einfach nicht. Vor allem anderen zählte das Recht des Starken und Mächtigen. In einer solchen Welt gab es nur wenige, die zu den Gewinnern zählten. Die meisten waren schwach und dadurch rechtlos. Und am schwächsten von allen waren die Kinder und die Frauen. Als ich fünfzehn war, begann mein Vater nach einem Ehemann für mich zu suchen. Er fragte mich nicht nach meiner Meinung und nie im Leben hätte er wissen wollen, welchen Mann ich selbst ausgewählt hätte. Ihn interessierten nur Beziehungen und Geld. Als ich das erkannte, begann ich mich zu wehren, doch er prügelte den Widerstand einfach aus mir heraus. Mehr und mehr Männer kamen zu uns, um mich zu begutachten – ich kam mir vor wie ein Stück Vieh. Es waren hässliche, stinkende, alte Kerle. Widerlich und abstoßend. Aber man sah mich als so schön an, dass die Männer von weit her kamen, um mich zu sehen und ihr Gebot abzugeben. Schließlich lief ich fort, in eine Stadt namens Babylon. Doch es dauerte nur wenige Tage, bis ich schon am Ende war. Ohne meine Familie wusste ich nicht einmal, wie ich mich ernähren sollte. Ich hatte keine Bleibe, fror des Nachts und der Hunger fraß mich auf. Schließlich schlich ich mich auf einen Markt und stahl etwas. Einen Granatapfel… ich sehe ihn noch vor mir. Doch der Händler hatte

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