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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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würdest du mich auslöschen, um sie zu retten. Obwohl du weißt, dass das deinen Tod bedeuten würde. Ich beneide Eleanor. So sehr wie ich nie im Leben jemanden beneidet habe. Wenn ich sehe, wie du sie anblickst. Wie du sie umsorgst, verteidigst. Bei Gott, ich würde morden, nur um das zu bekommen!“
    Ein fernes Donnergrollen rollte über die Stadt, doch Raphael nahm es nicht wahr. Er sah Lilith erschüttert an. Ihr Leuchten hatte sich zu einem roten Pulsieren gesteigert. Sie schlug unruhig mit den Flügeln und wagte es dennoch nicht, den Kopf zu heben und Raphael anzusehen.
    „Langsam verstehe ich“, sagte Raphael. „Die Männer, die du im Laufe der Jahrtausende getötet hast. Sie haben dich enttäuscht. Du hast dir von ihnen etwas versprochen, das sie nicht gehalten haben. Oder nicht halten konnten.“
    Lilith nickte wortlos.
    „Was ist mit jenen, die du nur gequält hast?“
    „Jedes Mal, wenn ich enttäuscht wurde, war ich wie rasend. In diesen Augenblicken bin ich ohne Unterschiede zu machen über jeden hergefallen, der mir in die Quere kam.“
    Liliths letzte Worte waren mehr als gequält gewesen. Es war offensichtlich, dass sie sich in diesem Augenblick selbst zutiefst verabscheute.
    „Sie alle waren zur falschen Zeit am falschen Ort“, stellte Raphael fest. Eine Weile war es ganz still auf dem Dach. Beide blickten zum Waisenhaus hinüber, unfähig einander anzusehen. Erst als Raphael Lilith leise schluchzen hörte, wandte er sich ihr verwirrt zu. Die Eigenart der Menschen zu weinen würde er nie verstehen. Auch bei Eleanor hatte er das schon erlebt und jedes Mal vollkommen hilflos danebengestanden. In all den langen Jahren, die er schon in einer menschlichen Hülle auf dieser Welt weilte, hatte er selbst nie den Impuls verspürt, Tränen zu vergießen. Er war sich nicht einmal sicher, ob Engel überhaupt weinen konnten. Zumindest hatte er nie einen Engel weinen sehen. Bei Menschen aber war das anders. Vor allem Frauen brachen leicht in Tränen aus. Er wusste nicht warum und er hatte vor allem nicht die geringste Ahnung, wie er damit umzugehen hatte. Menschen waren so vollkommen anders. Unbeständig. Flatterhaft. Unberechenbar.
    So stand er unschlüssig hinter Lilith und wusste nicht, was er tun sollte. Entnervt sog er die Luft ein. Ebenso wie bei Eleanor in solchen Augenblicken fühlte er sich zutiefst hilflos. So mussten sich die Toten fühlen – ohnmächtig und bar jeder Möglichkeit, etwas an ihrer Umgebung zu ändern.
    Ein Gedanke durchzuckte ihn … die Toten … Elizabeth … wie hatte er doch Elizabeth getröstet?
    Er trat auf Lilith zu und kniete sich zu ihr nieder. Dann nahm er sie sanft in die Arme und begann sie zu wiegen.
    Lilith zuckte zusammen und hielt für einen Moment den Atem an. Und dann, unendlich langsam wie es schien, begann sie sich fallen zu lassen. Ihre Tränen versiegten, das Zucken ihrer Schultern erstarb und sie ergab sich seiner Berührung. Hätte in diesen Minuten ein Mensch nach oben zum Dach geblickt, so hätte er ein ungewöhnliches und überaus eigenartiges Leuchten wahrgenommen. Es hatte das gesamte Dach erfasst, hüllte es in ein warmes, goldenes Licht, pulsierend und doch zugleich unfassbar beruhigend. Doch die Ursache dieses Strahlens hätte kein menschliches Auge zu erfassen vermocht. Es waren die Körper zweier Engel, die dort eng umschlungen standen und einander festhielten. Unter ihnen lag eine finstere, schmutzige Stadt, verdorben durch Gewalt, Armut und bitterste Verzweiflung. Ein Ort, der des Lebens nicht würdig war und allen Absichten Gottes für seine Schöpfung Hohn sprach, sie entwürdigte und in den Dreck zog. Doch die beiden Engel standen hier oben, außerhalb allen Leids und Elends der Welt unter sich und gaben einander durch ihre Umarmung für einen kurzen Moment das, was sie durch ihr Leben auf dieser Erde verloren zu haben glaubten.
    Raphael stellte verwirrt fest, dass diese Umarmung sich vollkommen von dem unterschied, was er bisher mit Eleanor erlebt hatte. Wenn er Eleanor im Arm hielt, so war stets er derjenige, der Wärme, Kraft und Geborgenheit gab. Er selbst wiederum mochte das Gefühl, von ihr gebraucht zu werden, wichtig zu sein und ihrem Leben einen Sinn zu geben. Doch was in diesem Augenblick durch die Umarmung mit Lilith geschah, war etwas vollkommen anderes. Während seine eigene Energie in Wellen durch ihren Körper strömte, so gab sie ihm dasselbe zurück. Das göttliche Feuer in den beiden floss in Millionen winziger Wellen

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