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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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ein Pech haben? Er wünschte sich, irgendeine reelle Chance gegen Raphael zu haben, doch ihm war vollkommen klar, dass er nichts zu bieten hatte, was gegen Raphael würde Bestand haben können.
    Und in diesem Augenblick geschah es. Ein eisiger Wind fuhr hinter Michael durch den Park. Urplötzlich überkam ihn ein schauderhaftes Gefühl, das eher in der Magengegend als auf der Haut zu spüren war und doch zugleich so mächtig und furchteinflößend in ihm wütete, dass er fröstelnd herumfuhr und den Weg hinter sich entlang blickte. Das Rauschen der Bäume näherte sich ihm, trieb durch den Park direkt auf ihn zu und schließlich konnte er das Phänomen sogar sehen. Die mächtigen Linden zu beiden Seiten des Weges zwischen Haupthaus und See schienen in völliger Windstille regungslos da zustehen, groß und unbewegt. Lediglich an einer einzigen Stelle rauschten sie und dort bewegten sich ihre Äste und Blätter wild hin und her, so als ob ein unsichtbarer Riese an jenem Ort zwischen ihnen auf dem Weg stünde und sie mit seinen mächtigen Armen in Bewegung versetzte. Und dieser Riese bewegte sich offenbar auf Michael zu. Zunächst langsam, dann immer schneller.
    Michael erstarrte vor Schreck. Am helllichten Tag wirkte dieser Anblick ungemein furchterregend und faszinierend zugleich. Immer näher kam die unsichtbare Erscheinung, passierte Baum um Baum und hinterließ wieder vollkommene Windstille hinter sich. Vielleicht noch fünfzig Meter, noch vierzig, jetzt dreißig. Michael fühlte sich wie ein Reh, das mitten auf der Fahrbahn einer nächtlichen Landstraße steht. Es sieht die Scheinwerfer des Autos auf sich zurasen und kann sich dennoch nicht vom Fleck rühren. Es kann nur ins Licht sehen, unfähig sich in Sicherheit zu bringen und wohl wissend, dass seine Regungslosigkeit ihm das Leben kosten wird.
    Noch zwanzig Meter, noch fünfzehn. Endlich erwachte Michael aus seiner Starre. Um vom Weg zu springen, war es schon zu spät, doch er duckte sich instinktiv, riss die Arme schützend hoch und kniff die Augen zusammen. Ein Schlag traf ihn an der rechten Schulter, so machtvoll und brutal, dass er für einen kurzen Augenblick meinte, von einem Ast getroffen worden zu sein. Er stolperte unkontrolliert, während das Brüllen der vom Wind gepeitschten Blätter und Äste genau über seinen Kopf hinwegfegte. Ein hoher, schriller Schrei durchschnitt die Luft über ihm und ließ ihn zusammenzucken. Was mochte das gewesen sein? War er etwa nicht allein im Park?
    Michael hätte nicht sagen können, wie viel Zeit vergangen war, doch endlich glaubte er die Augen wieder öffnen zu können. Er kniete mitten auf dem Kiesweg, der eben noch Schauplatz dieser unheimlichen Begebenheit gewesen war, doch von dem merkwürdigen Wetterphänomen war nichts zurückgeblieben. Keine Äste auf dem Boden, keine durch die Luft wirbelnden Blätter, nichts…
    Verwirrt sah er sich um. Was mochte das gewesen sein? Was hatte ihn an der Schulter getroffen? Was für ein Schrei war das gewesen?
    Mit weichen Knien erhob er sich aus der Pfütze, in der er die ganze Zeit gekniet hatte. Verdammt, nun hatte er sich auch noch die Hose eingesaut und sah aus wie…
    „Scheiße!“, brüllte er aufgebracht. „Was für ein beschissener Tag ist das?“
    Ein helles Lachen drang bei diesen Worten an sein Ohr und ließ ihn innehalten. Orientierungslos sah er sich um. Von wo mochte das Geräusch gekommen sein? Dort von rechts war es wohl gewesen. Von jener Weide, die ihre langen Zweige traurig über das Wasser des Sees hängen ließ. Schimmerte dort nicht ein seltsames Licht unter ihren Ästen hervor?
    Ein Ruck ging durch Michael. Trieb hier jemand seinen Schabernack mit ihm? Voll Zorn setzte er sich in Bewegung und ging mit langen Schritten auf den Baum zu, die Fäuste geballt und ungewöhnlich streitlustig.
    „Warum versteckst du dich da?“, schrie er aufgebracht.
    Er hatte die Weide fast erreicht, als ihre Zweige sich in Bewegung versetzten und das merkwürdige Licht in ihrem Innern die Umgebung zu erleuchten begann. Und dann geschah es – ein Wesen trat unter dem Baum hervor, schwebte einige Meter auf Michael zu und blieb dort abrupt stehen. Es schien vollkommen aus Licht zu bestehen, einem warmen, goldenen Licht, das anzublicken ungemein schön und beruhigend wirkte.
    Wieder wurden Michaels Beine weich wie Pudding und er sank vollkommen willenlos auf die Knie. Beinahe musste er sich zwingen, nach oben zu schauen und das fremde Wesen anzublicken, das vor ihm stand

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