König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
leiten?
Die Bäume über Michaels Kopf rauschten sacht im Wind und vertrieben für einen Augenblick seine zornigen Gedanken. Er wusste, dass er so an die Sache nicht herangehen sollte. Der Weg zu Eleanor führte nicht über Hass oder Verachtung für Raphael, dessen war er sich bewusst. Vielleicht war das, was Eleanor an Raphael so schätzte ja die einfache Tatsache, dass die beiden etwas gemeinsam hatten: die psychischen Probleme, die sie beide in ein Sanatorium geführt hatten. Wenn es so war, würde Eleanor vielleicht eines Tages erkennen, dass sie diese Gemeinsamkeit nicht brauchte, um sich zu Michael hingezogen zu fühlen. Er müsste nur Geduld haben. Nichts weiter.
Die letzte Kurve vor Stratton Hall kam vor ihm in Sicht. Die schweren, schmiedeeisernen Torflügel zur Parkanlage standen halb offen und gaben den Blick frei auf die satten, grünen Rasenflächen und uralten Bäume. Zwei Eichhörnchen tobten in den Zweigen darüber und verschwanden schließlich raschelnd in den Baumkronen. Ein Bild des Friedens und der Harmonie. So ganz anders als die Gefühle, die gerade schwer wie Steine in Michaels Magen lagen. Er war nervös und unausgeglichen. Beinahe mürrisch stieß er das Tor auf und betrat den Park. Von hier aus sah er nun das mächtige Haupthaus vor sich liegen. Friedlich, beinahe einsam lag es vor ihm. Es waren keine Menschen zu sehen. Allein die Autos der Angestellten auf dem Parkplatz unmittelbar rechts des Hauses verrieten, dass er nicht allein hier war. Die großen Linden beiderseits des Hauptweges rauschten sanft über ihm im Wind und hätten beruhigend auf ihn gewirkt, hätte nicht ein Sturm in seiner Brust getobt. Immer langsamer wurden seine Schritte, schließlich blieb er stehen und starrte das Haus mit leerem Blick an.
‚Warum soll ich da rein gehen ?‘, fragte er sich. ‚Sie will mich doch sowieso nicht.‘
Er ballte die Fäuste an seiner Seite und blickte beinahe zornig zum Haupteingang hinüber. Das alles hier machte einfach gar keinen Sinn. Er kämpfte auf verlorenem Posten und er wusste es.
Noch einmal sah er zweifelnd zum Haupthaus hinüber. Dann gab er ein zorniges und verzweifeltes Knurren von sich, kickte eine Ladung Kieselsteine auf dem Weg zu seinen Füßen in hohem Bogen mehrere Meter weit fort und wandte sich hastig ab. Voll Wut lief er einen der kleinen Seitenwege zu seiner Linken hinein um außer Sicht zu sein. Um nichts in der Welt hätte er jetzt jemandem begegnen wollen und in all dem Zorn und der Enttäuschung über sich selbst wünschte er sich tot zu sein. Zum allerersten Mal in seinem Leben.
Immer schneller rannte er nun. Ein leichter Nieselregen hatte derweil eingesetzt, durchnässte seine Haare, ließ seine Haut erkalten und legte sich wie ein dünner Film auf sein Gesicht. Er bemerkte es nicht einmal. Nur weg, weg von diesem Ort, an dem das Mädchen lebte, welches ihm so viel bedeutete und von dem er nichts zurückbekam. Der Himmel hatte sich bezogen und hing schwer, grau und dräuend wie eine riesige, bleiche Decke über seinem Kopf. Das Tageslicht, das vor einer knappen halben Stunde noch hell und vielversprechend an einen sonnige Tag hatte glauben lassen, war einem düsteren Zwielicht gewichen, welches die Welt in ein Meer aus Schatten tauchte. Wie kam es eigentlich, dass seit einiger Zeit das Wetter in Stratton und Umgebung so ungewöhnlich wankelmütig war? Fast hätte man glauben können, dass irgendein mächtiger Wettergott den wolkenverhangenen Himmel und den Regen extra für Michaels Seelenleben erschaffen hatte und nun beides über Stratton Hall sich austoben ließ, um die Gefühle des jungen Mannes zu noch tieferen und übleren Depressionen zu verdammen.
Michael lief und lief, doch nach einer Ewigkeit, wie es schien, blieb er schließlich stehen und sah sich verwirrt um. Er wusste kaum zu sagen, wie es geschehen war, aber er stand am Ufer des kleinen Sees im Park. Dort, auf der anderen Seite des Sees, war vor einigen Tagen ein Baum umgestürzt und der Länge nach ins Wasser geschlagen. Einige seiner obersten Äste reichten bis auf wenige Meter an Michaels Uferseite heran und trieben sacht auf den kleinen Wellen des trüben Wassers.
Mit leerem Blick starrte Michael auf die kleinen Bewegungen der Blätter und Zweige vor sich. Sie wirkten vollkommen willenlos. Allein durch die sanfte Gewalt des Wassers bewegt und ohne die Kraft, an ihrem eigenen Schicksal etwas ändern zu können. So fühlte auch Michael sich. Warum nur musste er mit Mädchen immer solch
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