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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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nickte der Alte, als er verstand. „So soll es sein“, sagte er nachdenklich. „So soll es sein…“
     
    Die Sonne war erst wenig weitergezogen, als die Menschenmenge sich in Bewegung setzte. Jeshua hatte ein neues Ziel vorgegeben – Jerusalem. Noch einmal wollte er in die Hauptstadt der Juden gehen, um dort zu predigen. Und dieses Mal würde keine zornige Priesterschaft ihn aus dem Tempel des Herrn vertreiben. Diesmal würden sie ihn anhören. Ihn anhören müssen. Schon in den vergangenen Monaten hatten sich ihm immer mehr Menschen angeschlossen. In fast jeder Ortschaft, in der er Wunder gewirkt hatte, waren neue Gläubige zu ihm gestoßen, Männer wie Frauen. Sie waren keine Jünger, doch sie folgten ihm wie Pilger, gingen dorthin, wohin er ging, hörten seine Predigten und sahen seine Wunder. Sie lagerten für gewöhnlich außerhalb der Ortschaften, errichteten dort eigene Lager, in denen sie kochten, schliefen und über Jeshua sprachen. Wenn er weiter zog, so zogen auch sie weiter. Zuletzt waren es einige hundert gewesen.
    Die Wiedererweckung Eleasars in Bethanien jedoch hatte diese Entwicklung ungemein beschleunigt. Ein Mädchen vom Tode zu holen, das erst wenige Minuten tot war, mochte eine Sache sein. Ein Mann jedoch, der schon seit vier Tagen tot und beerdigt war, der nach Fäulnis gestunken hatte und aus der eigenen Gruft gewankt kam, das war etwas vollkommen anderes. Hier konnte es nicht mehr den geringsten Zweifel geben. Dieses Wunder ging von Gott aus. Und so waren allein hier in Bethanien mehr als eintausend Menschen zu der Pilgergruppe gestoßen. Größtenteils waren es Menschen aus Judäa, aus der Gegend um Bethanien und aus Bethanien selbst. Doch noch mehr blieben zurück. All jene, die nicht die Kraft hatten, ihr Leben hinter sich zu lassen und alles aufzugeben. Zudem blieben auch jene zurück, die Zweifel an Jeshua hatten und sie nicht abzuschütteln vermochten. Für viele von ihnen war es unbegreiflich, dass ein Messias ihnen nicht auch die Freiheit von den Römern geben wollte. Von was für einer merkwürdigen Freiheit sprach er denn da überhaupt? Freiheit der Seele? Freiheit von Sünde? Wozu sollte das taugen? Man lebte im Hier und Jetzt. Welchen Sinn hatte es, über das Jenseits nachzudenken, wenn man in dieser Welt von den Römern gequält und gedemütigt wurde?
    Jeshua hatte ihnen ein ums andere Mal klarzumachen versucht, dass sie nicht weit genug dachten. Dass sie, wenn sie wirklich an Gott glaubten, ihn nicht aus den Augen verlieren durften. Dass es Werte gab, die wichtiger waren, als das Abschütteln der römischen Steuerlast, ihrer Soldaten, ihrer fremdartigen Weltanschauung. Doch allzu viele von ihnen würden das nie verstehen. Sie waren blind – und würden es vielleicht für immer bleiben.
    „Denkt nicht, dass mir euer leibliches Wohl nicht am Herzen läge“, hatte Jeshua gesagt. „Doch was nützt euch ein satter Bauch, wenn eure Seele hungrig und durstig ist? Was nützt euch ein gesunder Leib, wenn eure Seele krank und faulig ist? Was nützt euch denn ein freies Leben, wenn eure Seele doch gefangen ist in Hass, Lüge, Vorurteil und Gewalt?“
    Aber trotz dieser Worte hatten viele Menschen Jeshua nicht verstanden. Sie gaben vor an Gott zu glauben, und sahen dennoch nicht, worauf es Gott wirklich ankommt. Sie sprachen von ihrer Liebe zu Gott und zugleich von ihrem Hass auf Rom. Sie sprachen von der Freiheit, die Gott ihnen verschaffen sollte und zugleich vom kommenden Sieg über das verhasste Rom. Diese Menschen würden nicht vor Gott bestehen können. Sie waren verloren. Denn selbst wenn Rom eines Tages fiele, so würde irgendwo ein anderes, ein neues Rom entstehen. Und auch das würde ihren Zorn und ihre Unzufriedenheit auf sich ziehen.
    Und dennoch zog sich heute eine lange Menschenschlange von Pilgern die flachen Hügel Bethaniens empor und folgte Jeshua und seinen Jüngern. Diese Menschen hatten die Botschaft Jeshuas verstanden: Es kommt nicht darauf an, was du in diesem Leben an Ungemach erleidest. Wichtig ist nur, wie du damit umgehst. Hass mit Hass zu erwidern, Gewalt mit Gewalt, Ungerechtigkeit mit Ungerechtigkeit, würde nie Frieden in der Welt schaffen. Dann würde diese Welt für immer die Hölle bleiben, zu der die gefallenen Engel sie machen wollten.
    „Herr, denkst du, es werden noch mehr werden?“, fragte Juda, während sie an der Spitze des Zuges voranschritten.
    „Mehr, als du wirst zählen können!“, erwiderte Jeshua glücklich lachend. „Vielleicht

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