König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
Partner. Plötzlich hatte sie ein schlechtes Gewissen. Ihre Partnerschaft baute nicht auf einer Beziehung in gleicher Augenhöhe auf, dessen wurde Eleanor sich schlagartig bewusst. Wie anders wäre es mit Michael, der ein Mensch wie sie war.
Liliths Bild erschien in ihren Gedanken. Lilith wäre viel eher das, was Raphael brauchte. Eine Frau, die einem Engel so nahe kam, wie es nur ging. Sie würde die Einsamkeit von ihm nehmen können, denn sie war genau wie er. Sie würde…
„Nein!“, schrie Raphael. Er stand im Türrahmen und sah unendlich zornig und furchteinflößend zu Eleanor hinüber. Die Tür, die er aufgerissen hatte, schlug mit einem lauten Knall gegen die Wand. Gleichzeitig veränderte sich der Raum schlagartig bis zur Unkenntlichkeit. Die Wände waberten, als ob das Zimmer unter großer Hitze stünde. Das Sonnenlicht, welches bis eben noch durch das Fenster geschienen hatte, machte einer eiskalten Dunkelheit Platz. Allein um Raphael selbst war das Zimmer noch beleuchtet, denn er strahlte in einem zornigen Rot, welches wild in seiner Brust pulsierte und die vibrierenden Wände in ein unheimliches Licht tauchte. Drohend öffnete er seine Flügel und kam auf Eleanor zu. Sie erstarrte vor Schreck.
„Verschwinde!“, fauchte er. Dann legte er seine Hand auf Eleanors Stirn.
Im selben Moment erklang ein markerschütterndes Kreischen, während das Bild Liliths in Eleanors Geist erneut aufleuchtete. Lilith schrie und wand sich wild hin und her, während Raphael sie an den Haaren aus Eleanors Gedanken zu ziehen schien. Die schreiende Lilith verblasste und fast sofort veränderte sich der Raum wieder. Das Hitzeflimmern der Wände verschwand, das Sonnenlicht erkämpfte sich wieder seinen Weg zurück in das Zimmer und auch Raphael stand von einem Augenblick auf den anderen in Hemd und Jeans vor ihr. Nichts deutete mehr auf die Geschehnisse der letzten Sekunden hin.
Eleanor atmete panisch keuchend und sah mit wildem Blick verwirrt im Raum hin und her.
„Was… was war das?“, stammelte sie entsetzt.
„Lilith!“, erwiderte Raphael. „Sie war in deinen Gedanken. Was hat sie dort getan? Was hat sie dir erzählt?“
„Ich… ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie etwas zu mir gesagt hat.“
„Sie hat deine Gedanken manipuliert. Was hast du zuletzt gedacht?“
Eleanor sah betreten zu Boden. Ihm zu sagen, was sie gerade gedacht hatte, bevor er in ihr Zimmer gestürmt war, käme einem Offenbarungseid gleich. Nichts hätte ihr peinlicher sein können.
„Was war es?“, drängte Raphael. „Du musst es mir sagen!“
„Ich dachte…“, Eleanor war den Tränen nahe. „… ich dachte, ich bin nicht gut genug für dich. Immer bist du es, der mich tröstet und mich wieder aufrichtet, wenn es mir dreckig geht. Ich tue nie was für dich… Lilith wäre viel besser für dich…“
Beschämt verstummte sie.
„Nein! Nein, nein, nein!“, brach es aus Raphael hervor. „So ist es nicht. Das hat sie dir nur eingegeben, um einen Keil zwischen uns zu treiben. Das waren ihre Gedanken – nicht deine eigenen!“
„Aber sie hat doch recht! Ich kann dir niemals das geben, was sie zu tun vermag.“
Einen Moment lang blieb Raphael vollkommen still. Ein Bild tauchte in seiner Erinnerung auf. Das Bild von Lilith und ihm selbst, wie sie eng umschlungen auf dem Dach des Hauses in Dragowicze standen und ihre Energien ineinander fließen ließen. Er konnte nicht anders als ehrlich zu sich selbst sein: Dieses Erlebnis war so wunderbar und befriedigend gewesen, dass er es nicht aus seiner Erinnerung verbannen konnte. Es gab Augenblicke, da er sich zu diesem Moment zurücksehnte und sich fragte, warum er die Verbindung mit Lilith so schnell und voreilig von sich gestoßen hatte.
In solchen Augenblicken hasste er sich, denn er kannte die Antwort nur zu gut und wusste, dass es die richtige Antwort war. Eleanor mochte kein Engel sein, sie mochte nicht die Möglichkeiten eines Wesens mit dem himmlischen Feuer haben, aber sie hatte eine Seele, die so wunderbar rein und makellos war, dass Lilith nicht ansatzweise mithalten konnte.
Oder doch…?
Er hatte Lilith im Garten des Waisenhauses gesehen. Dort hatte sie mit den Kindern gespielt, sie getröstet, sie beschützt und umsorgt. Lilith mochte mit so manchem ihre Probleme haben, aber ihr Wesen war nicht schlecht oder gar bösartig. Sie war vor allem jemand, der seit Tausenden von Jahren auf der Suche war, so wie alle anderen auch, und die mit ihren fortwährenden
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