König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
noch nicht heute oder morgen. Aber eines Tages wird es so sein. Ein Samenkorn, das du heute pflanzt, mag vielleicht klein sein. Aber es wird wachsen und zu einem Baum werden, der seine Wurzeln tief in die Erde treibt, der Schatten spendet und vielen Tieren ein Zuhause bieten kann. So ist es auch mit einer Idee. Sie kann nicht totgeschwiegen werden, denn sie lebt in den Köpfen der Menschen weiter. Sie kann mächtig werden und die Zeiten überdauern. Die Menschen, die wir heute um uns scharen, sind erst der Anfang.“
Juda grinste und nickte. „Gut gesprochen, Herr. Dieses Mal wird Jerusalem anders mit dir umgehen.“
Bei diesen Worten erstarb Jeshuas Lächeln schlagartig. Er sah zu Boden, wankte und blieb schließlich stehen.
„Herr, was hast du?“, fragte Juda bestürzt. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“
Ohne aufzusehen, griff Jeshua nach Juda und hielt sich an ihm fest. Er bemühte sich, die Schultern etwas zu straffen, doch noch immer sah man ihm an, dass ihm ein ungeheurer Schreck in die Glieder gefahren war.
„Es ist nichts“, zwang er sich schließlich mit brüchiger Stimme zu sagen.
„Aber Herr, ich sehe doch, dass es dir schlecht geht.“
„Es wird eine Prüfung auf mich zukommen. Eine Prüfung, die ich nicht will und die dennoch unausweichlich ist.“
„Eine Prüfung, Herr? Was immer es ist – lass mich dir helfen, damit es etwas leichter für dich wird.“
Judas Stimme bebte vor Sorge. Er versuchte den Blick seines Herrn aufzufangen, doch erst nach seinen letzten Worten hob Jeshua endlich das Gesicht. Er sah seinen Gefährten an und sein Blick war so unendlich traurig, dass Juda vor Schreck fast aufgeschrien hätte.
„Du würdest mir helfen?“, fragte Jeshua.
„Aber Herr. Ich würde alles für dich tun. Das weißt du doch.“
Judas Stimme war jetzt beinahe panisch. Jeshua griff nach seinem Arm und sah ihn eindringlich an. Er sprach plötzlich sehr leise.
„Wenn es so weit ist, werde ich dich bitten etwas für mich zu tun. Du wirst es nicht wollen. Und du solltest wissen, dass dich die Welt für das, was du für mich tun sollst, jahrtausendelang hassen wird. Aber es würde mir helfen!“
Juda zitterte am ganzen Leib. In diesem Augenblick nahm er seine Umwelt kaum noch wahr. Er bemerkte nicht, dass sie beide stehengeblieben waren. Sah nicht, dass sich schon die ersten Pilger mit verwunderten Blicken auf dem schmalen Bergpfad an ihnen vorbei schoben. Die Bitte, die in Jeshuas letztem Satz gesteckt hatte, war so bewegend, fast flehend gewesen, dass Juda nicht einen Augenblick lang zögern konnte. Ihm war plötzlich eiskalt und er fühlte sich schwach.
„Ich werde dir helfen, Meister“, flüsterte er mit rauer Stimme.
Jeshua sah ihn mit ernstem Blick an. Jetzt wirkte er beinahe gequält, da er Juda eine ungeheure Last aufzuerlegen im Begriff stand. Er suchte in Judas Gesicht ein Zögern oder ein Anzeichen für Zweifel zu erkennen. Doch Juda mochte vielleicht verängstigt ob Jeshuas Worten wirken – von seinem Wort zurücktreten würde er nicht.
Jeshua nickte. „Gut. Ich werde dir sagen worum es geht, wenn es soweit ist. Bis dahin sage niemandem etwas von diesem Gespräch. Willst du auch das für mich tun?“
Juda nickte furchtsam. Einen Augenblick lang sah Jeshua ihn ernst an, dann lächelte er müde, schlug ihm freundlich auf den Arm und wies mit dem Blick den Weg entlang.
„Wir sollten gehen, bevor wir am Ende des Zuges angelangt sind.“
So setzten die beiden sich wieder in Bewegung und gingen inmitten der Pilger gen Jerusalem. Sie verloren kein Wort mehr über die stattgefundene Unterhaltung, doch Juda war bis in seine Grundfesten hinein erschüttert. Was mochte es geben, das Jeshua so entsetzt hatte? Wovor konnte sich jemand fürchten, der selbst den Tod zu besiegen imstande war? Und wie würde ein einfacher Mensch wie Juda Iskariot ihm helfen können? Ein Unbehagen ergriff Besitz von ihm, fraß an ihm, ließ ihn leer und hohl zurück. Juda begann zu glauben, dass sie mit jedem Schritt nach Jerusalem auf eine Katastrophe zugingen, welche die Welt für immer verändern würde.
Der Geisterkrieg
Eleanor war noch immer zornig. Nachdem sie wutentbrannt aus der Bibliothek gelaufen war, hatte sie sich zunächst in ihrem Zimmer verkrochen. Sie war unruhig auf- und abgegangen, immer zwischen Tür und Fenster hin und her, sicher eine halbe Stunde lang. Sie hatte sich aufgeregt und Michael verflucht. Warum nur war er so ein Idiot? Er glaubte tatsächlich immer
Weitere Kostenlose Bücher