König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
eingekehrt war.
Er stand nun neben Asasel und sah ebenso wie dieser hinab auf Bethanien.
„Das bin ich, Bruder. Das bin ich.“
„Es hat mit Jeshua zu tun, dem Sohn des Joseph“, stellte Samael fest.
Asasel nickte. „Ich habe heute eine wichtige Lektion gelernt“, gab er bedrückt zu. „Gottes Befehl bedeutet, dass ich hier und heute unglücklich bin. Wir alle ertragen diesen Schmerz nur, weil wir die bange Hoffnung haben, dass wir eines Tages zu ihm zurückkehren dürfen und der Schmerz dann nachlässt. Aber was ist, wenn wir nie zurückkehren dürfen? Sollten wir dann nicht versuchen, unser Leben hier in den Griff zu bekommen? Sollten wir dann nicht versuchen, aus dieser Hölle einen Himmel zu machen und sie so gut es geht mit Gottes Liebe füllen?“
„Wir werden zurückkehren!“, tat Samael Asasels Gedanken ungeduldig ab. „Spätestens nach dem Tag des Jüngsten Gerichts werden keine Menschen mehr hier sein, die wir zu verführen hätten. Dann werden wir wieder zum Herrn dürfen.“
„Du irrst, Samael. Du weißt doch gar nicht, was der Herr mit den Seelen vorhat, die er verwirft. Vielleicht vernichtet er sie nicht. Vielleicht sollen wir Gefallenen sie bis in alle Ewigkeit hier auf Erden festhalten und für ihre Sünden büßen lassen. Schon jetzt lassen viele von uns ihrem Hass auf die Menschen freien Lauf, indem sie die Toten in der Geisterwelt aufsuchen und in ihrer Einsamkeit quälen. Die Toten sind uns schutzlos ausgeliefert und du weißt das. Vielleicht wird das unsere Zukunft sein…“
„Unsinn!“, schnappte Samael. „Der Herr liebt uns. Er hat uns immer geliebt.“
„Und selbst, wenn er uns wieder aufnimmt…“, fuhr Asasel fort. Seine Stimme war plötzlich leise und tonlos geworden, er sprach mehr zu sich selbst als zu seinem Gegenüber. „… wer sagt uns denn, dass wir bis dahin nicht längst zerbrochen sind? Was ist, wenn unsere Wunden niemals heilen…?“
Eine Weile herrschte absolute Stille. Keiner der beiden sagte ein Wort. Ein leichter Wind fuhr über den Hügelkamm. Er wirbelte kleine Staubfahnen auf, ließ einige Büsche in der Nähe sich unter seiner Kraft winden, während ihre Blätter leise rauschten. Ein Hund bellte unten im Dorf, dann kehrte wieder Ruhe ein.
„Asasel, mein Freund“, erklang Samaels Stimme. „Wenn du deinen Glauben verlierst, hast du den Kampf um Gott schon verloren.“
„Ich frage mich, ob ich ihn nicht durch Jeshua gewinnen kann…“, erwiderte Asasel nachdenklich.
„Durch einen Menschen?“ Samael lachte freudlos auf. „Von denen hast du kein Heil zu erwarten. Die Menschen sind schwach. Sie kennen Gott nicht einmal. Wie soll ein einziger von ihnen uns helfen können?“
„Er ist anders. Gott selbst hat ihn gesandt. Daran kannst du doch nicht zweifeln. Nicht nach allem, was er vollbracht hat!“
„Ich zweifle nicht an ihm. Ich zweifle daran, dass er die Welt heilen kann. Es wird immer Menschen geben, die keinen Glauben haben. Menschen, die im Laufe ihres Lebens ihren Glauben verlieren. Menschen, die andere Propheten und andere Weltbilder verehren. Diese Welt ist ein Schlachtfeld der Religionen und des Atheismus. Und wir stehen mitten zwischen den Fronten. Wenn wir uns für eine der Seiten entscheiden, haben wir schon verloren!“
„Ich entscheide mich nicht für eine der Seiten, Samael. Ich entscheide mich für all das, wofür der Schöpfer steht. Und der steht außerhalb von Religionen und Unglauben. Gott hat die Verehrung der Menschen nicht nötig – niemand weiß das besser als du, Samael. Der Mensch mag die Krone der Schöpfung sein, aber Gott ist so unfassbar mächtig und der Mensch so unfassbar unwichtig, dass es ihn einfach nicht interessiert, ob man ihn in einer Kirche, einer Moschee, einer Synagoge, oder überhaupt nicht verehrt.“
Samael, dem schon eine bissige Bemerkung auf der Zunge gelegen hatte, hielt inne. In diesem Punkt hatte Asasel zweifellos recht. Es stimmte, sich für oder gegen Gott zu entscheiden, hatte nichts mit Religionen zu tun. Es hatte nicht einmal mit Glauben oder Unglauben zu tun. Es war einzig eine Frage des Lebens, das man führte. Gott war Leben und Liebe. Wer sich für diese Werte entschied, verehrte ihn. Wer sich hingegen für Tod und Hass entschied, stand gegen ihn.
Langsam begann er zu nicken. „Ich stimme dir zu. Wir können uns entscheiden, ohne zu einer ‚Seite‘ gehören zu müssen. Wir Engel waren schon hier auf Erden, noch bevor die ersten Propheten die ersten Religionen
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