König für einen Sommer: Roman (German Edition)
langsam zu verabschieden. Wahrscheinlich hatten wir zu früh geworfen. Ich dachte an ... gar nichts. Nur daran, wie schön es war, hier zu sitzen und an gar nichts zu denken.
»David! Du bist ja noch da.«
»Der neue, verbesserte Andi. Klar bin ich noch hier. Ich muss doch auf dich aufpassen. Wie geht's dir? Alles klar?«
»Oberbestens. So gut ging's mir noch nie. Echt, jetzt. Das Zeug ist der Hammer.«
»Gern geschehen. Was hältst du davon, wenn wir so langsam abhauen? Hier passiert eh nichts mehr.«
»Hast du noch was zu trinken, für den Weg?«
»In Beckmanns Rucksack müssten noch ein paar Dosen sein.«
Wir plünderten Beckmanns Vorrat und brachen auf. Unser Gang war schwer und langsam, wir mussten alle hundert Meter eine Pause einlegen.
»Hey, da ist das Sanitätszelt«, bemerkte Andi beim dritten Halt. »Ob Schlucki noch da ist?«
»Schauen wir doch mal nach.«
Wir betraten das Zelt mit jeweils einer Dose Bier und einer Zigarette in den Händen.
»Kann ich euch helfen?«, fragte ein weiß gekleideter Rot-Kreuzler.
„Ja«, sagte ich. »Hier müsste ein stockbesoffener Freund von uns rumliegen.«
»Stockbesoffen sind hier alle. Wie heißt er denn?«
»Schlucki, äh, Bernd. Bernd Schluck. Hat immer so ein Grinsen im Gesicht.«
»Ach, der!«, lachte der Rot-Kreuzler. »Das war vielleicht 'ne Nummer. Is vor 'ner halben Stunde aufgewacht und wollte erst mal ein Bier von mir. Für solche Fälle hab ich immer ein paar Flaschen alkoholfreies dabei. Er hat den Becher in einem Zug geleert und sofort wieder ausgespuckt.«
»Schlucki hat in seinem Zustand gemerkt, dass das alkoholfreier Stoff war?«
»Was hat der geflucht! Er würde mich verklagen, wegen vorsätzlicher Vergiftung und so weiter. Dann ist er abgezogen.«
»Sensationell.«
»Trotz allem war er aber wesentlich sympathischer als die Frau, die ihn hergebracht hat. Völlig hysterisch. Ich hatte ernsthaft überlegt, ihr eine Beruhigungsspritze zu geben. Kennt ihr die auch?«
»Oh ja. Mein Beileid. Na ja, wir gehen dann mal weiter. Schöne Nacht noch.«
»Euch auch. Kommt gut nach Hause.«
Wir brauchten über eine Stunde, bis wir bei mir zu Hause waren. Wir setzten uns auf die Couch und öffneten noch zwei Bier, um Sinatra für heute endgültig zu verabschieden. Mein Kopf war immer noch klar, aber mein Körper hatte den Kampf verloren.
»David?«
„Ja?«
»Ich habe mich verliebt.«
O-Oh. Das wird doch nicht etwa der alte Andi sein?
»Mensch, mach doch so was nicht, Andi.«
»Nein, ernsthaft. Ich bin verliebt.«
»Bist du nicht. Das geht überhaupt nicht. Wer mit Sinatra unterwegs ist, kann sich gar nicht verlieben. Steht so im Vertrag. Hast wohl das Kleingedruckte nicht gelesen.«
»Es ist aber so. Ich werde sie morgen schon wieder sehen.« »Die blonde Cher vom Karaoke?«
»Jep, genau die. Mann, ich war so cool, David. Hast du mich auf der Bühne gesehen? Das hätte ich sonst nie gebracht. Und sie ist voll drauf abgefahren.«
»Aber das ist doch kein Grund, sich gleich zu verlieben.«
»Wir haben uns geküsst.«
»Das ist ein Grund, sich zu verlieben. Aber nicht auf Sinatra. Das warst nicht du, der da auf die Bühne gesprungen ist. Und du warst es auch nicht, der sie geküsst hat. Das war jemand, dem es scheißegal war, ob er sich blamiert oder ob er 'ne Abfuhr kriegt oder ob die Welt gleich in die Luft fliegt. Und dieser Jemand wird sich nicht morgen mit ihr treffen, sondern du. Stinknormal, schüchtern, Andi eben. Und dann?«
»So schnell wird sie das schon nicht merken. Und vielleicht mag sie mich ja auch so.«
„Ja, vielleicht. Und vielleicht nimmt sie dich übermorgen zum nächsten Karaoke mit und will, dass du euer Lied mit ihr singst, und du bringst es nicht, weil dir nicht alles egal ist.«
»Dann besorg ich mir eben vorher dieses Zeug und alles ist okay.«
»Superidee, Andi. Klasse Basis für eine Beziehung. Wohin gehen wir, Schatz? Zum Karaoke? Können wir noch kurz an der Konsti vorbeifahren? Ich muss da noch eben was abholen. Superidee, wirklich.«
»Mensch, warum bist du denn so scheiße drauf jetzt? Gönn mir das doch mal.«
»Ach, Scheiße, ich weiß auch nicht, sorry. Natürlich gönn ich es dir. Es ist nur ... Ich glaub, ich hab's mir heute Abend vollkommen mit Anna verbockt, ich Idiot.«
»Wieso? Was ist denn passiert?«
»Ich hab jetzt keine Lust, noch drüber zu reden. Ich hau mich ins Bett. Bis später, Andi.«
TECHNO, VERSTANDEN
DIE NÄCHSTEN vier Sinatra-Nächte in der absteigenden Reihenfolge
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