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König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

Titel: König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Winkler
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andern vermengt. Unmöglich, das hier abzugeben! Wie soll ich’s nur sagen? Herr Professor Icks, ich kann nicht, denn ich habe mich, ohne es zu merken, in einem Traum verloren und im Wald verirrt, wenn auch nur ein paar Sätze lang. Und nicht wahr, der Wald ist verboten, ebenso der Mond , die See und die Wüste , und überhaupt alles, was gern durch die Türen von Dichterkammern schlüpft. Und es hat sich in meine Antwort zum Beispiel Frau Professor Stein geschlichen, was mir grob und unrecht von mir erscheint: Muss denn meine Wirklichkeit ausgerechnet in eine Prüfungsarbeit hier am Institut für Gedankenkunde und Verstehen stürzen? Das wollte ich nicht, bitte üben Sie Nachsicht, es ist einfach so geschehen, wie in meiner Abwesenheit. Aber Professor Icks kann nicht meine Gedanken lesen, unmöglich. Er beugt sich zu mir und flüstert mir ins Ohr: »Haben Sie nicht so viel Angst und lassen Sie die Blätter los.« Und fort ist er, und meine Figur, ah, seufzt jetzt in seinen Händen noch wie immer? Zeit, mich auf meinem Sofa einzurollen, die Decke um mich zu wickeln, und die Vorhänge, an denen es in meinem Zimmer entschieden mangelt, zuzuziehen. Vielleicht, dass ich noch eine Weile ins schon fast erloschene Feuer im Kamin auf dem Bild schaue, ehe ich, verbotenerweise, auf dem Rücken des untergehenden Mondes ins Universum fliege und mich in einen Stern verwandle, der vor Professor Icks’ Fenster von Wolken umhüllt und also unsichtbar wird. Gegen Mittag wird mich ein Sonnenstrahl an der Nase wecken und darauf drängen, dass ich meiner Wege gehe, nämlich zur Gedankenstunde von Professor Stein, wo Flora das Steuer in der Hand hält und ganz im Sinne ihrer Lehrerin durch den Abend lenkt, ganz über die Spuren hinweg, die sie sich zu eigen gemacht hat. Als ob man alles, auch die zartesten Schriftzüge auf fremden Blättern, rauben könnte. Kann man, Jakob? Kann man das?
    Lieber Jakob, am liebsten bäte ich Dich heute, meine Gedanken zu lesen, denn ich kann fast nichts mehr aufschreiben. Frag mich nicht, wie das kommt! Ich habe wohl versagt bei meiner Prüfungsarbeit. Nicht nur, dass ich in zwei Tagen so gut wie nichts geschrieben habe, sondern auch, dass ich absolut keine Rechenschaft über das Vergehen der Zeit in diesen Tagen geben kann. Wo war ich und wer? Ich weiß nichts von den wahrscheinlich unzähligen Augenblicken, in denen ich nur aufs Blatt vor mir geschaut habe. Kann sein, hin und wieder strich ich mit meinem Finger über die Lippen, und dann und wann hab ich wohl dem Reisenden zugehört. Schrecklich war der Moment, in dem Professor Icks plötzlich, mir im Rücken stehend, meine Blätter an sich genommen hat. Ich wollte sprechen, blieb aber vollends stumm. Ein einziges Stocken, Stocken, bis ich hörte, dass er mir etwas ins Ohr flüsterte, etwas wie: Haben Sie keine Angst, Lina Lorbeer. Jakob, wie kann ich es nur genau genug sagen: Es rieselte irgendwas durch mich hindurch, und was immer das war, es nahm die ganze Furcht mit sich. Zwar weiß ich nicht, was er mit meinen Gedanken anfangen wird, aber – gleichviel. Wäre schön, nicht wahr, wenn das so bliebe: eine solche Freiheit, und durch nichts anderes bewirkt als ein zartes, leises Strömen. Ach, wenn uns das aufhöbe, wir könnten mit dem Prinzen und dem Hofnarren noch drei Runden für gar nichts um die Welt herum laufen und sogar Professor Steins Babel in Ruhe lassen. Soll es unter roten Strichen, neben wunderschönen Plakaten, auf denen Worte nichts als Verbindungen sind, weiter unbeachtet vor sich hindämmern. Gute Nacht, Jakob!

IX.
    Ich sitze in der Bibliothek, in der vorletzten Reihe, ganz links, an meinem Lieblingsplatz, wo sich, wie mir scheinen will, der Tisch schon fast zu einem der großen Fenster hinausbeugt und ein wenig mit dem Hof da unten, der ums Haar nicht in die große Straße mündet, liebäugelt. Er könnte sich, wenn er sich der klaren Luft da draußen übergeben wollte, in einen Hut verwandeln, um auf Justins Kopf zu landen, der allerdings fehlt und lange noch fehlen wird, womöglich sogar die ganze Ewigkeit lang, die für uns alle beginnt, wenn der letzte Tag hier angebrochen und die große Prüfung bestanden ist. Aber daran mag ich jetzt nicht denken. Es kommt mir grade so vor, als ob ich direkt der Kiste entstiegen wäre, so mit dem Mundschenk-Kostüm auf meiner Haut. Trägt ein heutiger Mundschenk etwa anderes als pure Alltagskleidung? Nur der Schal, den ich der Kälte wegen um meinen Unterleib schlinge, könnte bei einiger

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