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König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

Titel: König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Winkler
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Hochhauslichter, aufs Eis hinaus. Unter mir wummert ein Riss, und ich summe mit dem Ton, ich summe die ganze Zeit über, während mich meine Beine übers Eis tragen, über die große, weite Fläche, mit den hauchdünnen Schneedecken hier und da. Ist’s noch da? Und Unglück, du? Bist du noch da? »Sie scheinen ein zartes Wesen zu sein, Lina Lorbeer. So empfindsam.« Ich fahre und fahre und verliere noch einmal alles, dumpf, ganz dumpf werden alle meine Sinne. »So empfindlich, Lina Lorbeer! Wer wird denn den Kreidenschuss gleich für einen Angriff halten!« Ich summe. »Ja, glauben Sie vielleicht, Frau Lorbeer, mich hat hier noch keiner verletzt?« Ich summe. »Frau Lorbeer, vergessen Sie nicht, dass ich meinen Kuchen mit Ihnen geteilt habe, obwohl Sie keinen Freund brauchen, der Ihnen einen Sessel bei Tisch besorgt.« Ich summe. »Wenn alle zusammen für ein paar Augenblicke das Gedächtnis verlören, wo wäre dann das Problem? Bilden Sie sich einmal nicht so viel auf Ihre Erinnerung ein! Wie leicht kann man ein Blatt mit einem Teller, wie von Kinderhand gezeichnet, vom Fenster nehmen und es in den Ofen legen, um einzuheizen und das Zimmer damit zu erwärmen. Rosinen verbrennen auch, alles, alles, alles ist zu etwas nutze. Verstehen Sie, Lina Lorbeer? Verstehen Sie?« Ich summe. »Ja, meinetwegen, dann stellen Sie sich eben mit Ihrem Gesumme vor den Löwenkäfig im Zoo und summen Sie, summen Sie weiter, wenn Sie das Gebrüll so erschreckt.« Ich summe. Ich summe die ganze Zeit. Und ich werde so lange weiter summen, bis ich, mit einem Sprung, auf der Bühne lande. Da stehe ich dann, in einen schwarzen Mantel gewickelt, den ungenaue Augen so leicht für Floras Mantel halten könnten. Und eine Stimme habe ich, und ich summe, ich summe die ganze Zeit, und vom Schnürboden fällt ein Lichtkegel direkt neben mich, und durch ihn hindurch ziehen ein paar dunkle, dünne Schatten, schmale, lange Streifen, ein Gitter wie von einem Käfig. – Verehrtes Publikum, summe ich den Lichtkegel an (denn ich im Dunkeln tue, als ob der Schein am Boden, der kleine Fleck, der mich wie lauter Gedanken umschwirrt, das Publikum wäre), mögen Sie wirklich ich sein, ich , wenn ich auf der Bühne spreche, zu Ihnen, einer interessierten Öffentlichkeit? – Hin und her schwankt der Lichtkegel, und es tanzen die Streifen in ihm, das ewige Gitter. Mögen Sie, dass eine Kreide Ihr Gesicht angeflogen kommt? Mögen Sie dann ohnmächtig werden und stumm, und wieder hinaus gleiten aufs Eis, das kracht und holpert und bebt unter Ihnen. Mögen Sie? – Der Lichtkegel dreht einen Kreis um mich, die dunklen Streifen biegen sich und werden länger. Mögen Sie durch eine ganz finstere Gasse gehen, einem hinterher, der kurz davor ist, aus lauter Angst seinen Verstand zu verlieren, und mögen Sie dann, dass Ihnen die Katze in die Arme fällt, die für den Verrückten da vor Ihnen bestimmt war? Dem geht das Zittern der Katze so zu Herzen. Und hoch oben, am Balkon, steht ein Menschenerforscher und lacht und lacht, weil es die Schwerkraft wirklich gibt und sie gar nicht seine Erfindung ist. Was für einen Spaß so ein kleiner Wahnsinniger macht, der immer so ein Summen aus der Ferne vernimmt. Mögen Sie eins werden mit dem großen Menschenerforscher, verehrtes Publikum? Mögen Sie ihm ein wenig an die Hand gehen? – Der Lichtkegel verformt sich und bekommt fünf Finger, die sich ausstrecken und einrollen, und das Gitter spannt sich jetzt als schwarzes Band um die eingerollte Hand, eine Faust. Nah an mich heran hüpft sie, diese Lichtschattenhandfaust, aber noch bin ich geschwinder, noch hüpfe ich, wenn sie sich zu mir erhebt. Mich schwindelt schon, Publikum. Aber wir sind noch nicht fertig. Magst du, summe ich weiter, magst du wirklich ich sein, ich, wenn ich auf der Bühne stehe und erkenne, dass eine aufmerksame Öffentlichkeit, ein zarter, heller Gedanke, einen überwältigenden Körper hat? Magst du, Publikum? Bitte, dann nimm mir die Scham ab, die mir womöglich gar nicht gehört. Und da, nimm die Kreide in die Hand, die mich getroffen hat, und bemale dich im Gesicht, bemale dich so lange, bis du dich nicht wieder erkennst. Dann tritt vor den Spiegel, am besten vor den Spiegel der Nachbarin. Aber der ist von Kleidern verhangen! Da siehst du nichts. Dann tritt dort ans Fenster und schau ins gegenüber liegende Zimmer, wo die Fenster gar keine Vorhänge haben. Und was siehst du da, was geht hier vor? Da schwebt ja in den Lüften, auf der Schaukel, Lina

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