Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
geschmückt. Die Stiefel hatte er sich von Anno geliehen. Dazu trug er sein bestes Wams und ein Untergewand aus feinem Leinen. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so prächtig ausstaffiert. Doch die schöne Unbekannte war es ihm wert!
»Enrico Dandolo ist ein mächtiger Mann, und er hat gottverdammt wenig Sinn für romantische Liebe. Er ist ein venizianischer Kaufmann! Schlag dir deine Torheiten aus dem Kopf und lass uns stattdessen lieber in ein Hurenhaus gehen.«
»Du redest wie meine Kinderfrau, wenn sie mich davon abhalten wollte, auf einen morschen Apfelbaum zu steigen. Sie hatte auch nie Erfolg damit.« Ludwig nahm den Steuermann in die Arme und drückte ihn. Orlando roch nach gewürztem Wein. »Außerdem ist es mir gottverdammt ernst.«
»Du hattest eine Kinderfrau, die mit dir über Hurenhäuser gesprochen hat?«
Ludwig lachte. »Gib auf, Orlando. Du wirst mich nicht umstimmen.« Er drückte ihn noch einmal an sich, dann ließ er seinen Gefährten in der Gasse nahe dem Kaufmannspalast zurück. »Viel Glück«, rief Orlando ihm noch nach, doch der Ritter drehte sich nicht mehr nach ihm um. Ludwig fühlte sich wie in einem Rausch. Es war wie der Augenblick, bevor man seinem Pferd die Sporen gab, um in die Schlacht zu reiten. Man fühlte sich lebendiger als an anderen Tagen.
Vor ihm auf der anderen Seite des kleinen Platzes lag der hell erleuchtete Palazzo Dandolos. In allen Fenstern brannten Lichter. Mit beschwingtem Schritt eilte Ludwig das Portal hinauf. Der Kaufmann gab an diesem Abend ein großes
Fest. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn er bei dieser Gelegenheit nicht dessen Frau kennenlernen könnte. Seit Tagen redete man im christlichen Händlerviertel über kaum etwas anderes. Dandolo hatte nicht nur die Reichen und Mächtigen geladen, sondern auch etliche Ritter auf Pilgerfahrt. Mit ihnen machten die Venezianer gute Geschäfte. Und Dandolo stand in dem Ruf, kein Geschäft auszulassen. Gerüchten zufolge, verkaufte er auch Christenkinder an die Sklavenmärkte Alexandrias. Das mochten Verleumdungen sein … Aber Heinrich glaubte das nicht. Dem Mistkerl war alles zuzutrauen. Er würde es bestimmt noch einmal weit bringen. Aber in dieser Nacht sollte er Hörner aufgesetzt bekommen.
Ludwig war sich bewusst, dass es die blanke Unvernunft war, auf mehr zu hoffen, als darauf, einen Blick auf Dandolos schöne Frau zu werfen. Wie konnte man so eine Frau haben und nicht in ihrem Bett liegen! War sie für den Venezianer nicht mehr als nur ein weiteres, kostbares Gut, das man zur Schau stellte? Wie einsam sie sein musste! Ludwig vertraute auf die Kraft der Liebe. Sie war stärker als jede Vernunft!
Ein arrogant dreinblickender, grauhaariger Bediensteter bewachte den Eingang des Palastes.
»Platz für Ludwig von Firneburg, den Gesandten Heinrichs des Löwen am Hofe des Basileios.«
Der Diener wich ergeben zur Seite, wenn er auch fragend die Stirn runzelte.
Ein mit bemalten Fliesen gekachelter Flur führte durch das Haus auf einen Hof, der von Säulen umgeben war wie der Kreuzgang eines Klosters. Ein kleiner Brunnen sprudelte. Auf der Galerie im zweiten Stock stand eine Gruppe von Musikern. Die vertrauten Töne einer Sackpfeife
erklangen, begleitet von Beinflöten, einer Laute und einem Trommler.
An den Säulen, die das Atrium einrahmten, waren Fackeln aufgehängt worden, die den Hof in helles Licht tauchten. Ungefähr fünfzig Gäste hatten sich versammelt. Es gab einen langen Tisch, der mit allerlei Köstlichkeiten prunkte. Gleich neben dem Brunnen war ein Gerüst aufgebaut, auf dem Dandolo einen Teil seiner Handelsgüter zur Schau stellte. Kostbare Webstoffe und Seide aus dem Orient, Kästchen mit Türkisen, Bernstein und anderem Geschmeide. Elfenbein und Pelze aus dem hohen Norden, Waffen aus den Werkstätten Norditaliens und viele andere Dinge. Beeindruckt betrachtete Ludwig die Auswahl. Allein diese wenigen Stücke mussten den Wert der Ländereien seines Vaters um ein Vielfaches übersteigen. Und sein Vater galt beileibe nicht als armer Mann!
»Ist es nicht wunderbar, mit welchen Gütern Gott unseren Gastgeber beschenkt hat?« Ein reich gewandeter Geistlicher war an Ludwigs Seite getreten.
»Gewiss.« Der Ritter nickte. »Doch was sind diese Gaben gegen die unvergleichliche Schönheit des Weibes, das Gott dem Venezianer geschenkt hat. Sie soll so schön sein wie eine Rosenblüte, benetzt von Morgentau.«
»Habt Ihr sie denn schon einmal gesehen?«
In der Stimme des Geistlichen lag
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