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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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ein argwöhnischer Ton, der Ludwig nicht gefiel. »Nicht mit eigenen Augen«, wich er aus. »Ich weiß nur aus Erzählungen, wie wunderschön sie sein soll. Und ich harre voller Spannung darauf, sie endlich selbst erblicken zu können. Sie soll der kostbarste Schatz Venedigs sein!«
    Der Priester lächelte mitleidig. »Ich fürchte, da hat man
Euch ein ganz schönes Garn gesponnen. Ich kenne dieses Haus nun schon seit Jahren. Und ich habe die Domina Marina noch nie zu Gesicht bekommen. Sie verlässt den Palazzo fast nie. Nur manchmal wird sie in einer mit Tüchern verhangenen Sänfte zu der Kapelle am Kontoskalion-Tor getragen, wo sie sich mit ihrem Beichtvater trifft. Dandolo hält sie stets vor den Blicken aller verborgen, weil er sich ihrer schämt.«
    »Aber … das kann doch gar nicht sein. Es ist gewiss seine Eifersucht, die ihn dazu veranlasst.«
    Der Priester deutete auf das Gerüst mit den Handelswaren. »Dandolo ist ein Mann, der gerne zeigt, was er besitzt. Glaubt mir, wenn sein Weib wirklich von solcher Schönheit wäre, wie Ihr sagt, dann würde er sie gewiss nicht verstecken.«
    »Euer Exzellenz, wie schön, Euch unter meinen Gästen zu sehen.« Ein hagerer Mann mit Augenbinde trat an ihre Seite, griff nach der Hand des Bischofs, kniete halb nieder und küsste den Ring des Kirchenfürsten. Dandolo, der Hausherr!
    »Stellt Euch vor, mein lieber Freund, Ihr habt hier einen Gast, dem man einen gewaltigen Bären aufgebunden hat. Er kam, um den größten Eurer Schätze zu bewundern.« Ein kühles Lächeln spielte um die Lippen des Bischofs.
    »Und welcher Schatz sollte dies sein?« Dandolo hatte sich wieder aufgerichtet und musterte Ludwig eindringlich.
    »Der Ritter wurde von der märchenhaften Schönheit Eurer Gemahlin angelockt.«
    Ludwig sah, wie der Kaufmann für einen Moment erstarrte.
    »Wer hat Euch denn von meiner Gemahlin erzählt?«

    »Ein Sänger in Italien lobte ihre Schönheit in den höchsten Tönen und verglich sie gar mit der Helena Homers.«
    Das gesunde Auge des Venezianers funkelte vor Wut. »Sogar in Italien spottet man also schon über mein Unglück! Und Ihr seid, angelockt von den Liedern eines dahergelaufenen Lumpen, in mein Haus gekommen? Ihr seid nicht besser als eine Fliege, die auf einem Scheißhaufen sitzt, Ritter.«
    Ludwigs Hand fuhr unwillkürlich zu seinem Schwert. »Ich verlange …«
    »Dies ist mein Haus«, zischte der Kaufmann. »Und Schaulustige, die sich am Unglück anderer weiden wollen, dulde ich hier nicht! Ihr verlasst augenblicklich dieses Fest, oder ich sorge dafür, dass man Euch nicht nur aus meinem Palazzo, sondern gleich aus der Stadt hinauswirft!«
    Ludwig spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. »Es war mir kein Vergnügen, Euch kennengelernt zu haben«, entgegnete er förmlich. Stolz erhobenen Hauptes verließ er das Haus, doch es fiel ihm schwer, diese Maske aufrechtzuhalten. Noch nie in seinem Leben war er öffentlich auf solche Art gedemütigt worden! Aber wenigstens kannte er nun den Namen seiner Angebeteten. »Domina Marina«, flüsterte er, als er den Platz vor dem Palazzo überquerte.
     
    Es war lange nach Mitternacht, als die letzten Lichter im Palazzo des Kaufmanns erloschen. Ludwig hatte die Villa, abgesehen von der kurzen Frist, die er gebraucht hatte, um seine Laute zu holen, den ganzen Abend lang beobachtet. Auf dem Fest hatte es viel Wein gegeben. Gewiss würde niemand im Haus mehr wach sein.
    Auf dem mittlerweile schon vertrauten Weg kletterte er
das Dach hinauf und ließ sich hinter dem Schornstein nieder, um mit dem Lautenspiel zu beginnen. Es tat gut, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen, während seine Finger über die Saiten strichen. Hier musste er keine aufgesetzte Fröhlichkeit zur Schau stellen und auch nicht mit scharfer Zunge gescheite Anzüglichkeiten daherreden, um Zechkumpane zu beeindrucken. Seit er Marina zum ersten Mal gesehen hatte, wusste er, dass er sich für sie nicht verstellen musste. Sie hatte ihn mit den verständnisvollsten Augen angeschaut, die er jemals zu Gesicht bekommen hatte.
    Ein Geräusch vom Balkon ließ Ludwig aufhorchen. Sie war da! Er stellte sich vor, wie sie wieder an der Brüstung lehnte. Ihr langes, seidiges Haar. So wenige Tage er sie auch kannte, so unauslöschlich hatte sich ihm ihr Bild eingeprägt. Sein Lautenspiel wurde lebhafter. Es war eine Melodie, wie man sie zu den Erntefesten spielte, wenn die jungen Paare unter der Dorfeiche tanzten und die Nächte warm und voller Verlockungen

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