Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
war dieser Mann. Er kam die Treppe hinunter und ist durch den Flur zum Portal gehuscht. In der Dunkelheit konnte ich ihn nicht richtig erkennen. Er war nur ein Schatten. Und ich dachte, er könne zum Haus gehören, weil …«
    Enrico Dandolo blickte verzweifelt zu dem Vorsteher des Personals, der das Mädchen zu ihm gebracht hatte. »Und deshalb weckt ihr mich?«
    Der stämmige Mann schüttelte unwirsch den Kopf. »Es ist nicht so, wie es sich anhört, Herr!« Er wandte sich an das Mädchen. »Nun sag schon, was du deutlich erkannt hast.«
    »Als er aus der Tür war, habe ich ihm nachgeschaut, wie er über den Platz lief. Ein Trupp der Nachtwache zog gerade vorüber mit Fackeln. Ich konnte seinen Umhang daher ganz deutlich erkennen. Er war von wunderschönem Blau, und etwas war darauf gestickt. Wie ein Kreuz aus Blättern hat es ausgesehen.«
    Der Kaufmann setzte sich auf sein Bett und hielt sich dabei an dem vergoldeten Pfosten fest. Dieser Staufer mit dem blauen Umhang hatte es also geschafft, sich noch einmal
ins Haus zu schleichen. War er gar bis zu Marina gelangt?
    Dandolo massierte sich mit der Rechten die Braue über dem Auge, das er vor Jahren verloren hatte. Ein stechender Schmerz tobte hinter seiner Stirn. »Schick das Mädchen fort«, sagte er barsch. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Er war es gewohnt, dass man versuchte, ihn in Geschäften zu betrügen. Auch Drohungen und sogar Gewalt waren ihm nicht fremd, wenn es darum ging, Handelsinteressen durchzusetzen. Aber dass dieser Ritter einfach daherkam, um in sein Haus einzudringen …
    »Belisar!«
    »Herr!« Der Vorsteher der Dienerschaft trat an das Bett des Kaufmanns.
    »Ich will, dass dieser Ritter verschwindet! Es soll nichts mehr bleiben, was noch an ihn erinnert. Kleider, Waffen, Pferde, Diener. Es soll sein, als habe er niemals existiert. Du weißt, was dazu zu tun ist?«
    Der stämmige Byzantiner nickte. »Ich kenne die richtigen Männer! Der Schurke wird keine zwei Tage mehr haben. Sofort nachdem das Mädchen bei mir war, habe ich Burschen ausgeschickt, um dem Staufer nachzuspüren. Schon bei Sonnenaufgang werden wir wissen, wo er zu finden ist.«
    Dandolo erhob sich. »Sorg dafür, dass der Staufer langsam stirbt. Und zuletzt, bei seinem letzten Atemzug, soll er den Namen meiner Frau hören. Und noch etwas … Bring mir seine Augen! Sie sollen sein Abschiedsgeschenk für Domina Marina sein.«
    Der Diener verneigte sich. »Ihr könnt mir vertrauen, Herr.«

18

    Anno tat immer noch verschwörerisch, als er Heinrich in die kleine Seitenstraße beim Forum des Theodosius zog. Er hatte es geschafft, seinen Kameraden zu überreden, ihn an diesem Morgen auf einem kleinen Ausflug zu begleiten, bevor er wieder zu dem hochnäsigen Mönch ging.
    Trotz der frühen Stunde war es schon höllisch heiß. Der Sennberger wischte sich über die schweißglänzende Stirn und suchte nach dem Durchgang, der zu dem kleinen Laden führte, den er tags zuvor entdeckt hatte. Nachdem ihm klargeworden war, dass Heinrich und sein Mönch mit ihrer Suche nicht recht vorankamen, hatte er die Angelegenheit selbst in die Hände genommen. Einer der Söldner der Palastwache hatte ihm gestern einen interessanten Hinweis gegeben.
    »Wohin gehen wir eigentlich?« Heinrich wurde zusehends ungeduldiger.
    Anno lächelte. »Wir sind schon so gut wie auf dem Heimweg, glaub mir.« Endlich fand er den Durchgang, über den sich das geflickte rote Sonnensegel spannte.
    Sie traten auf den schmutzigen Hinterhof eines heruntergekommenen Mietshauses. Eine Katze musterte sie argwöhnisch. Geflickte Wäschestücke hingen an einer langen Leine über ihnen. Anno deutete auf einen dunklen Eingang ihnen gegenüber. Auf den Türsturz war ein Heiligenkopf gemalt. Die alte Farbe war an manchen Stellen abgesprungen, so dass das Antlitz des Heiligen fast aussah wie das Gesicht
eines Leprakranken. Anno nahm Heinrich beim Arm und zog ihn ins Haus.
    Auf der hölzernen Treppe, die hineinführte, saß ein Mädchen in einem schmutzig weißen Kleid und betrachtete sie teilnahmslos. In den Armen hielt sie einen Säugling, über dessen Gesicht schillernde Fliegen krochen. In dem Treppenhaus stank es nach ranzigem Öl und altem Fisch. Irgendwo über ihnen erklang eine keifende Frauenstimme.
    »Bring uns zu Alexandros!« Anno sprach langsam und überdeutlich, damit die Kleine ihn verstehen konnte. Das Mädchen erhob sich, legte den Säugling auf ein Bündel aus Lumpen am Fuß der Treppe und streckte

Weitere Kostenlose Bücher