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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Mönch könnte ihm also alles erzählen! »Ist es vielleicht ein Übersetzungsfehler?« fragte der Ritter schließlich zögernd.
    Zenon lachte. Es war das allererste Mal, dass Heinrich den Griechen lachen hörte, und er war überrascht, dass es nicht spöttisch klang. »Das müsste schon ein sehr einfältiger Übersetzer gewesen sein, der aus einer Drei eine Vier macht. Doch wer weiß …« Der Mönch deutete auf etliche andere Codices, die sich auf dem Boden neben dem Lesepult stapelten. »Ich habe Abschriften noch älterer Bibeltexte studiert. Wohlgemerkt nicht die Originale! Wir wissen also nicht, ob sich hier Fehler durch ermüdete Schreiber oder übereifrige Mönche eingeschlichen haben, die einen Text auf eigene Faust ein wenig geschönt haben. Das Ergebnis
meines Bemühens ist jedenfalls beängstigend. In den ältesten Texten ist von magoi die Rede, das bedeutet Magier oder auch Weise. Die Bezeichnung wird aber auch für persische Priester verwendet. Wie viele Weise nach Bethlehem gezogen sind, wird zunächst nicht gesagt, später ist dann von zwei, drei, vier oder sogar zwölf magoi die Rede.«
    »Aber was ist mit den Gaben der Heiligen?« Heinrich zuckte unwillkürlich zusammen, als Zenon sich abrupt zu ihm umdrehte. Er fürchtete, er könne in den Augen des Mönchs schon wieder wie ein Esel dastehen.
    »Sprich weiter«, ermunterte ihn Zenon.
    »Nun, ich dachte … Wie steht es mit den Gaben? Sind es nicht immer Myrrhe, Gold und Weihrauch? Wenn von drei Gaben die Rede ist, wäre es dann nicht folgerichtig, wenn es drei Könige oder Weise gegeben hätte? Wie hätte ein vierter Weiser dagestanden, der mit leeren Händen kommt?«
    Zenon lächelte anerkennend. »Sehr scharfsinnig! Diesen Gedanken hatte auch Origines. Er wurde zwar zum Ketzer erklärt, aber er war einer der Ersten, der versuchte, der Sprachverwirrung Herr zu werden, die allzu viele Bibeldeuter verursachten.«
    »Glaubst du, es ist gefährlich, dem Geheimnis der Drei Könige nachzuspüren?«
    »Es ist immer gefährlich, sich mit einem Geheimnis zu beschäftigen!« Der Mönch lachte. »Aber macht nicht gerade das den Reiz aus? Auch Quintus Septimus Florens Tertullianus, ein weiterer bedeutender Kirchenschriftsteller, wurde zum Ende seines Lebens ein Ketzer und trat der Sekte der Montanisten bei. Er hat aus den Magiern der frühen Texte übrigens Könige gemacht.«

    »Ist es denn unausweichlich, zum Ketzer zu werden, wenn man sich mit der Geschichte der Kirche befasst?«, fragte der Ritter eingeschüchtert.
    »Das Risiko besteht darin, dass man einen freien Geist braucht, wenn man sich mit einem Problem auseinandersetzen will. Die meisten Kirchenfürsten fürchten jedoch freie Geister. Wir sind für sie immer ein wenig verdächtig, mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Besonders, wenn wir alte Traditionen als falsch entlarven.«
    Verdächtig, das Wort hallte in Heinrichs Gedanken nach. Er musterte den großen Mönch aus den Augenwinkeln. »Was war dein Preis?«, fragte er unvermittelt.
    Zenon tat erstaunt. »Mein Preis? Wie meinst du das? Warum ich Mönch geworden bin?«
    »Du weißt genau, was ich meine. Was hat dir der Erzbischof geboten, damit du uns hilfst? Keiner von uns ist allein aus frommem Streben auf diese Suche gegangen. Ich glaube nicht, dass du dich in diesem Punkt von uns unterscheidest.«
    »In der Tat. Aber was glaubst du, was einen Mönch noch verlocken könnte? Ruhm und Reichtum sind hier im Kloster bedeutungslos. Und zu Macht könnte mir dein Erzbischof in Konstantinopel wohl kaum verhelfen. Was meinst du also, war mein Preis?«
    »Vielleicht Freiheit? Vielleicht bist du ja nicht aus freiem Willen in diesem Kloster? Du bist der ungewöhnlichste Mönch, den ich je getroffen habe.«
    Einen Moment lang veränderten sich die Züge Zenons. Er wirkte melancholisch, so als dächte er an ein längst vergangenes Glück. »Man sollte dich nicht unterschätzen, Heinrich. Doch diesmal irrst du dich. Mein Preis ist ein Buch.«
Der Mönch machte eine Geste, als müsse er sich gewissermaßen für seine Worte entschuldigen. »Aber nicht irgendein Buch. Der Fürsterzbischof ist in Mailand auf ein Versteck mit kostbaren alten Handschriften gestoßen. Das wohl interessanteste Fundstück war eine lateinische Übersetzung des zweiten Bandes der Poetik des Aristoteles. Es handelt von der Komödie und den ihr verwandten literarischen Gattungen. Sieh mich nicht so ungläubig an! Ich schwöre dir beim Haupte Johannes des Täufers – das wir an einem

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