Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
brauchten schon einen Mittelsmann, der die Stadt verlassen kann. Ich bin mir sicher, dass an allen Toren venezianische Spitzel sitzen.«
»Würde ein genuesischer Kapitän Passagiere von hier fortbringen können, ohne dass Ihr davon erfahrt?«
Der Kaufmann schüttelte entschieden den Kopf. »Nicht, wenn ich diesen Dickschädeln klarmache, dass ich größten Wert darauf lege, von jedem Reisenden Kunde zu erhalten.«
Lupo verschränkte die Hände hinter dem Nacken und lehnte sich zufrieden auf seinem Stuhl zurück. »Dann bin ich guter Dinge, dass uns die Venezianer unsere drei Staufer geradewegs in die Arme treiben werden.«
19
Ludwig fühlte sich elend. Er hatte nicht den Mut gefunden, seinen Kameraden zu erzählen, warum sie verfolgt wurden. Kein Wort hatte er von Marina gesagt. Allerdings hatte er den Verdacht, dass Anno etwas ahnte. Der Sennberger sah ihn manchmal so seltsam an … Auch gegenüber Heinrich verhielt er sich eigenartig. Was wohl in seinem Dickschädel vor sich ging?
Bedrückt sah Ludwig zu Heinrich hinüber, der sich kaum im Sattel halten konnte. Zwei Tage waren sie in dem Versteck in der riesigen Zisterne geblieben. Dann hatten Anno und Zenon alles für die Flucht vorbereitet. Fast ihr ganzes Gold hatte es sie gekostet! Kurz nach Einbruch der Dämmerung war Bardas gekommen, hatte sie zu ihren Pferden gebracht und sie dann auf verschlungenen Wegen zum Theodosia-Tor geführt. Dort taten in dieser Nacht Söldner Dienst, die Anno mit Hilfe seines Freundes, des schwäbischen Ritters Rolf, bestochen hatte. Sie mussten nur noch ein Stück die Küste hinabreiten. Auf einer Landzunge, nahe dem Drungarii-Tor, erwartete sie ein genuesischer Kauffahrer. Zenon war schon an Bord. Wohin sie das Schiff bringen würde, hatte der Mönch nicht gesagt. Er traute ihnen nicht mehr!
Ludwig und Heinrich warteten in einer Gasse, von der aus sie Anno beobachten konnten. Der Sennberger war allein zum Tor vorgeritten. Zuletzt hatte er Zweifel an Rolfs Loyalität bekommen. Hundert Goldstücke waren auf ihn und auf Ludwig ausgesetzt. Zweihundert auf den Mann im
blauen Mantel. So viel Gold würde ein Söldner in seinem ganzen Leben nicht verdienen! Was sollte man von Männern erwarten, die ihre Dienste für Gold feilboten. Bestimmt keine Loyalität. Nicht, wenn es um 400 Goldstücke ging.
Ludwig sah, wie sich Fackeln vor dem hohen Holztor bewegten. Ein paar Männer verschwanden unter dem gemauerten Bogen. Anno hob den Arm und gab das vereinbarte Zeichen.
»Komm!« Der Ritter griff nach den Zügeln von Heinrichs Stute. Sein Kamerad antwortete nicht. Der Kopf war ihm auf die Brust gesunken. Sie sollten sich beeilen! Je eher Heinrich wieder zur Ruhe kam, desto besser.
Am Tor erwartete sie Rolf. Anno war abgestiegen. Ein Wachposten hatte eine knapp mannshohe Pforte im Stadttor geöffnet. Die Gesichter der meisten Wachen kamen Ludwig vertraut vor. Es waren jene Männer, mit denen Anno in den letzten zwei Wochen so oft gezecht und gestritten hatte.
»Zeigt es diesen verdammten Venezianern!« Der hünenhafte Schwabe drücke Ludwig fest die Hand. »Vom gleichen Blute zu sein wiegt schwerer als Gold! Möge Gott mit euch sein!«
Ludwig traute seinen Ohren nicht. Beschämt nickte er dem Ritter zu. »Danke.«
Kaum dass sie die Mannspforte passiert hatten, wurde sie hinter ihnen schon wieder verschlossen. Ein frischer Wind wehte von der Bucht herüber. Das Meer lag kaum hundert Schritt entfernt. Sie saßen wieder auf und folgten der Küstenstraße schweigend nach Süden. Eine Stunde noch, und sie hätten das Goldene Horn hinter sich gelassen.
»Beim Schwanze Luzifers! Seht!« Anno hatte sich im Sattel umgedreht und wies zum Tor zurück. Auf der Plattform des linken Torturmes hatte man ein Leuchtfeuer angezündet. »Das kann nichts Gutes bedeuten! Heinrich! Stehst du einen scharfen Ritt durch?«
»Ich werde … euch nicht aufhalten, Freunde. Lasst mich!«
Ludwig tauschte mit Anno einen besorgten Blick. Dann sagte er mit entschlossener Stimme: »Keine Sorge. Ich bleibe hinter dir!«
»Nein, wenn wir hier noch länger bleiben, dann werden wir in Teufels Küche geraten!« Der genuesische Kapitän wies zu dem Signalfeuer hinüber. »Ist Euch klar, was das bedeutet, Bruder?«
»Es heißt, dass meine Freunde in Schwierigkeiten sind«, entgegnete Zenon gelassen.
»Und wir werden es auch bald sein, wenn wir noch länger hierbleiben. Das ist ein Alarmfeuer. In diesem Augenblick werden ein halbes Dutzend Kriegsschiffe bemannt
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