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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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seine Richtung.
    Seine Mutter hatte ihr Kleid wieder hochgezogen. Es war aus dunkelblauem Stoff und von einfachem Schnitt. Dazu trug sie einen kurzen schwarzen Umhang und ein schwarzes Kopftuch, das ihr bis weit auf die Schultern fiel. Sie war
noch jung. Vielleicht zwanzig Jahre. Auf ihr Kinn waren Linien aus dunklen Punkten und Sternen tätowiert, die bis in ihre Unterlippe hinaufreichten. Ihr Mund war klein, die Winkel wie zu einem spöttischen Lächeln hochgezogen. Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Zelt.
    Neugierig sah sich Lupo um. Dicht neben ihm gab es eine rechteckige, aus Steinen gefügte Feuerstelle. Daneben standen zwei rußgeschwärzte Kupfertöpfe. Einige Trinkbecher aus Ton waren ordentlich aufgereiht und mit der Öffnung nach unten auf einen Teppich gesetzt.
    Das Zelt, in dem er sich befand, war sehr lang, aber allenfalls drei Schritt breit. Es bestand aus mehreren aneinandergehefteten Bahnen aus dichtem schwarzen Stoff. Die ganze Vorderseite war offen.
    Soweit Lupo sehen konnte, gab es noch mindestens drei ähnliche Zelte. Sie alle standen nahe einem steilen Felshang aus rotem Gestein, durch das sich breite dunkelgraue Bänder zogen. Hinter den Zelten hörte man Ziegen meckern.
    Das kleine Kind war zielstrebig in Lupos Richtung gekrabbelt. Vorsichtig streckte der Falkner die Hand aus und strich ihm über das dichte schwarze Haar. Er schien ein Junge zu sein. Der Kleine griff nach seinen Fingern. Es war lange her, seit Lupo zum letzten Mal so winzige Hände gesehen hatte. Der Falkner dachte an seinen Jungen. Amizio wäre jetzt schon fast ein Mann.
    Der Kleine steckte sich einen von Lupos Fingern in den Mund und begann daran zu saugen.
    »Na, hab ich dich um dein Mittagessen gebracht?« Er tippte dem Jungen mit einem ausgestreckten Finger der Linken auf den Bauch. Er gab ein zufriedenes Glucksen von sich.
    Ein Geräusch ließ den Falkner herumfahren. Die junge Frau und ein alter Mann standen vor ihm. Er war so in das Spiel mit dem Kind und in seine Gedanken versunken gewesen, dass er sie gar nicht kommen gehört hatte. Die Frau sah ihn missbilligend an, sie bückte sich und nahm das Kind auf den Arm.
    »Wenn du gestattest, werde ich mich setzen. In meinem Alter ermüdet einen das Stehen.« Der alte Mann sprach italienisch mit einem starken Akzent. Ohne auf eine Antwort Lupos zu warten, ließ er sich nieder. Die Frau hatte sich zurückgezogen. Unwillkürlich fragte sich der Falkner, ob sie die Tochter oder das Weib des Alten war. Er hatte Geschichten über die Heiden gehört, die jeden anständigen Christenmenschen mit Abscheu erfüllten. Vielweiberei schien bei ihnen nicht geächtet zu sein, sondern die Bedeutung eines Mannes zu unterstreichen.
    »Dein Freund muss gewusst haben, dass er auf dem Land der Awlad Said nicht willkommen war. Wer immer an unseren Wasserlöchern lagert, muss vorher um Erlaubnis bitten.« Der Alte schnaubte verächtlich. »Aber er war ja nur ein Laheiwat. Sie sind ein Volk von ungewaschenen Dieben. Du solltest dir deine Freunde besser aussuchen.« Der Alte musterte ihn streng. Sein Gesicht war zerfurcht wie ein frisch gepflügter Acker, und seine Haut fast so dunkel wie die fette Erde auf den Feldern östlich von Mailand. Ein dichter weißer Bart wucherte ihm um Wangen und Kinn. Seine Augen glänzten wie zwei schwarze Steine in einem Flussbett und wurden von buschigen schneeweißen Brauen überschattet. Der Mann trug ein Kopftuch, das er nachlässig um sein Haupt geschlungen hatte, und eines der langen weißen Gewänder, wie Lupo sie im Heiligen Land schon so
oft gesehen hatte. Außerdem hatte er einen etwas ausgefransten braunen Umhang um die Schultern gelegt.
    »Hast du gewusst, dass Wasserdiebstahl ein Verbrechen ist, das mit dem Tod bestraft werden kann?«
    »Ja«, entgegnete der Falkner heiser. Noch immer tobte ein pochender Schmerz hinter seiner Stirn.
    »Aber du glaubst, weil du ein weißer Scheitan bist, würden unsere Gesetze für dich nicht gelten.«
    Lupo schüttelte den Kopf. Ihm wurde übel. Mit Mühe würgte er noch ein »Nein« heraus.
    »Wenn du also wusstest, welche Strafe dir droht, was hat dich dann hierhergetrieben? Wolltest du anderen Ungläubigen deinen Mut beweisen? Selbst der Sultan von Ägypten fragt um Erlaubnis, wenn er unser Land durchqueren will!«
    »Ich war auf der Jagd«, flüsterte der Falkner.
    »Auf der Jagd?« Der Alte zupfte nachdenklich an seinem Bart. »Und welchem Wild stellst du nach?«
    »Einem Mönch und drei Rittern.«
    »Ein

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