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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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der Fessel aus schwarzer und weißer Wolle, die um Zeynels Knöchel gewunden war.
    Beunruhigt sah der Falkner den beiden zu. Es hatte geheißen, dass heute ein großes Fest gefeiert werden sollte. Unwillkürlich musste er an die Geschichte Abrahams denken.
    »Komm!« Mahmud war aufgestanden und zupfte den Falkner ungeduldig am Ärmel. Sie gingen zu dem langen Zelt am anderen Ende des Lagers, wo sich eine ganze Horde Kinder versammelt hatte.
    Lupo blickte zurück. Zeynel versuchte ihnen zu folgen, doch mit den gefesselten Füßen gelang es ihm nicht einmal zu krabbeln.
    »Wer als Erster bei Zeynel ist, bekommt das Herz des Widders!«, rief Mahmud. »Los!«

    Die Kinder stürmten über den Lagerplatz auf Zeynel zu, der zu weinen begann.
    Ein dürrer, drahtiger Bursche zog das Messer aus dem Sand. Matt funkelte die Klinge im weichen Abendlicht. Dann senkte sich der Stahl. Zeynels Weinen steigerte sich zu schrillem Wutgeschrei. Der dürre Junge hielt triumphierend die schwarz-weiße Fußfessel hoch.
    »Gut gemacht, Ali«, lobte der Alte. Die Frauen im Lager stießen ein anfeuerndes Pfeifen aus.
    »Nun, mein Kleiner, lauf jetzt! Nehmt ihn mit, Kinder!«
    Zeynel war schwankend auf die Beine gekommen. Die Kinder schubsten ihn und lachten ausgelassen.
    Mahmud wandte sich an die versammelte Sippe. »Seht ihn an! Mein kleiner Zeynel läuft nun durch die Wüste! Möge er ein prächtiger Läufer werden!«
    Verwandte klopften dem Alten anerkennend auf die Schulter und taten so, als sei Zeynel sein Sohn und nicht sein Urenkel. Fleisch wurde über die vorbereiteten Feuer gehängt. Die Kinder liefen lärmend durch das Lager, um ein neues Spiel zu beginnen.
    Zeynel versuchte ihnen zu folgen. Unsicher stakste er auf seinen kleinen Beinen durch den Sand und schwankte bei jedem Schritt wie ein Schilfrohr im Wind. Schließlich verlor er das Gleichgewicht und stürzte. Einen Herzschlag lang blickte er sich empört um, dann begann er zu krabbeln und fühlte sich sichtlich wohler dabei.
    Lupo lächelte und ging zu dem Kleinen hinüber. Die Wochen im Hirtenlager hatten ihm gutgetan. Er war zur Ruhe gekommen. Zeynel schnappte nach seiner Hand und steckte sich einen seiner Finger in den Mund. Er brabbelte zufrieden ein paar Worte und sah Lupo dabei mit großen Augen an.

    Der Falkner strich ihm durch das struppige Haar. Er hatte zwar ein paar Worte aus der Sprache der Beduinen gelernt, doch den Kleinen konnte er einfach nicht verstehen.
    »Ein prächtiger Junge, nicht wahr? Ich wette mit dir, wenn er ein Mann ist, läuft er schneller, als ein Pfeil fliegt.« Mahmud lächelte. »Das ist wichtig, um der beste Viehdieb zu werden.«
    Lupo dachte daran, wie Zeynels Vater gestorben war.
    »Heute Morgen haben die drei Ritter und der heilige Mann die steinernen Zelte verlassen.«
    Der Falkner fuhr überrascht herum.
    »Ich wollte, dass du noch das Fest der durchschnittenen Fessel erlebst. Es ist ein wichtiger Tag für einen Jungen.«
    Zeynel gluckste bestätigend, als hätte er seinen Urgroßvater verstanden.
    »Ich muss fort!«
    »Aber es ist fast schon dunkel«, wandte der Alte ein. »Willst du nicht wenigstens noch eine Nacht bleiben, um Abschied zu nehmen?«
    »Sie haben schon einen ganzen Tag Vorsprung. Ich darf sie nicht verlieren.«
    Mahmud nickte. »Ich hatte mir gedacht, dass du so entscheiden würdest. Wenn ich zehn Sommer jünger wäre, würde ich mit dir kommen.«
    Lupo sah den Alten an. Seine faltige, dunkle Haut wirkte wie lose um seine Knochen gewickelt. Die Hände zitterten ihm, und die Wüstensonne hatte schon vor langer Zeit den Glanz aus seinen Augen gebrannt. Er war gewiss auch vor zehn Jahren schon ein Greis gewesen. »Es wäre mir eine Ehre gewesen, an deiner Seite zu reiten«, entgegnete Lupo.
    Die beiden verließen das Fest. Niemand schien sie zu beachten.
Man hatte das Pferd des Falkners von der Weide geholt und hinter den Zelten angepflockt. Seine Sachen lagen, ordentlich zu Bündeln geschnürt, im Sand. Lupo griff nach dem Sattel und wollte ihn dem Pferd auflegen, als Mahmud ihn zurückhielt.
    »Warte noch einen Augenblick, mein Freund.« Er drehte sich um. »Alime!«
    Hinter dem Zelt erschien seine Enkeltochter. Sie hielt Zeynel an der Hand, der sich stolpernd bemühte, mit ihr Schritt zu halten.
    »Sie hat noch etwas für dich«, erklärte Mahmud. »Sie wollte nicht, dass du einfach so gehst.«
    Wortlos reichte die junge Frau ihm eine prächtig bestickte Pferdedecke. Sie war mit dicken Troddeln aus roter Wolle gesäumt.

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