Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
Herzschlag gedauert.
»Dein Lautenspiel ist nur mittelmäßig, mein Freund, aber der Kerl, der dich das Schwertkämpfen gelehrt hat, gehört an den Galgen! Du würdest in deiner ersten Schlacht in Outremer sterben. Die meisten Christen unterschätzen in ihrem grenzenlosen Hochmut die Sarazenen. Auch bei ihnen gibt es Ritter. Sie nennen sie Faris. Bete, dass du niemals einem von ihnen begegnest.« Ingerimm streckte ihm die Rechte entgegen.
»Ich habe Euch heimtückisch angegriffen und Euch Eure Kebse genommen. Bringt es zu Ende, alter Mann. Ihr habt jedes Recht, mich zu töten«, entgegnete Hartmann trotzig.
»Vielleicht bist du nur in eine besonders heimtückisch
ausgelegte Falle gelaufen?« Ingerimm drehte sich um und zog sich nicht ohne Mühe in den Sattel. »Wenn du dem Fluss noch zwei Meilen nach Süden folgst, kommst du nach Linn. Dort hätte Rother seine Lehnsherrschaft antreten können, wäre er nicht ein ebenso törichter Heißsporn gewesen wie du. Am Eingang des Ortes gibt es eine kleine Schenke mit Nachtquartieren für Reisende. Bleib nur im Schnee sitzen, bis sich dein Zorn abgekühlt hat und die Kälte mehr schmerzt als dein verletzter Stolz. Ich werde dort auf dich warten. Und suche nicht nach einer anderen Unterkunft. Dies ist die einzige Schenke. Wenn du kommst, habe ich vielleicht ein paar Antworten auf die Fragen, die dir bis dahin eingefallen sind.« Ingerimm wendete sein Pferd und ritt davon, ohne sich noch einmal umzusehen.
Es gab eine kleine Burg in Linn mit hölzernen Befestigungswerken, die fast völlig unter dem weißen Mantel des Winters verschwunden waren. Kurz überlegte Hartmann, ob er dort einkehren sollte, doch dann lenkte er sein Pferd weiter. Er wollte den Alten wiedersehen und erfahren, was für ein Spiel dieser mit ihm trieb und aus welchem Grund er ihm die Geschichte der vier Ritter erzählte.
Als er die Schenke betrat, fand er sie fast leer vor. Außer Ingerimm und einer alten Wirtin, die erleichtert wirkte, noch einen Gast zu sehen, befand sich niemand im Schankraum. Der Burgherr saß vor dem Feuer und wandte Heinrich den Rücken zu. »Schön dich zu sehen, Ritter«, brummte er, als die Tür sich schloss.
Hartmann musste an Zenon denken. Doch neben dem Alten stand kein versteckter Spiegel.
»Ich habe gehört, wie du mit deinem Pferd gesprochen
hast. Die Wand zum Stall besteht nur aus ein paar schlecht gefügten Brettern«, sagte Ingerimm, als könne er seine Gedanken lesen. Mit einer Zange nahm der Burgherr einen dunklen Kieselstein, der nahe der Glut gelegen hatte, und ließ ihn in einen tönernen Becher fallen.
»Warmer Wein ist das Beste, um die Kälte aus den Gliedern zu vertreiben. Komm und setz dich zu mir ans Feuer.« Er stellte den Becher neben sich auf den Tisch. »Wieder bin ich es, der die ganze Zeit redet. Seltsam, nicht wahr? Dabei bist du doch ein Ritter, der sich die Dichtkunst zum edlen Zeitvertreib gewählt hat.«
Hartmann setzte sich neben den Alten und sah ins Feuer. In der plötzlichen Wärme schmerzten seine steifen, kalten Glieder. »Ihr seid Zenon, nicht wahr?«, fragte er unvermittelt.
»Du solltest dir erst darüber im Klaren sein, ob du mich für einen Lügner hältst oder glaubst, was ich sage. Sonst hätte meine Antwort letztlich wenig Wert für dich.«
»Nehmen wir an, ich glaubte, Ihr seid kein Lügner!«
»Und warum hätte ich dann deine rechte Hand mit dem Brandeisen gezeichnet? Habe ich dir nicht vorgemacht, ich wisse nicht, dass du in Wahrheit Linkshänder bist?«
»Ihr habt mir also eine Falle gestellt?«
»Vielleicht wäre es richtiger zu sagen, dass ich dich auf die Probe gestellt habe.«
Hartmann nippte an dem Becher. Der heiße Wein tat ihm gut. »Und warum solltet Ihr mich auf die Probe stellen?«
»Lerne die richtigen Fragen zu finden, und du wirst Antworten erhalten. Und nun entschuldige mich. Ich bin ein alter Mann, und die Strapazen des Tages haben mich erschöpft. Die Wirtin wird dir zwei kalte Hühnerbeine und
einen halben Laib Brot bringen. Wir sehen uns morgen. Ich habe beschlossen, dich bis nach Cöln zu begleiten.«
Als Hartmann am nächsten Morgen in die Schenke hinunterkam, erwartete der Maskierte ihn bereits. Der Alte war ungewöhnlich schweigsam und beobachtete ihn. Er schien auf etwas zu warten.
Auch als sie in die Sättel stiegen, um Linn zu verlassen, schwieg Ingerimm. Es war über Nacht noch kälter geworden, und dichtes Schneetreiben hatte eingesetzt. Die Heiligen hatten offenbar beschlossen, ihre
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