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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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aufzuhören. Helm und Kettenhaube hatten ihn gegen diesen Feind nicht zu schützen vermocht. Was Lupo vom Gesicht des-Ritters sehen konnte, war grausam zerstört. Von der Nase war nur eine klaffende Höhle geblieben. Das Fleisch der Lippen war wie Wachs geschmolzen. Er wollte etwas sagen, doch seine Stimme war nur noch ein Röcheln. Verzweiflung lag in seinen Augen. Erkannte er Lupo? Der Falkner wusste nicht zu sagen, welcher der drei Ritter dies sein mochte. Wieder und wieder versuchte der Sterbende sich verständlich zu machen. Dann, plötzlich, erschlafften die Glieder des Ritters.
    »Möge Allah seiner Seele gnädig sein«, erklang die Stimme
des Übersetzers. »Nie habe ich einen Mann gesehen, der sich so gegen den Tod gewehrt hat.«
    Nun endlich verloschen die letzten Flammen. Lupo bekreuzigte sich. »Gott, erbarme dich seiner, und nimm seine Seele zu dir.« Neben dem Ritter lag ein angesengtes blaues Seidentüchlein mit weißen Stickereien im Staub.
     
    Das Lagerhaus brannte bis tief in die Nacht. Der Falkner saß ein wenig abseits des Lagers, das die Sarazenen aufgeschlagen hatten, und betrachtete den verblassenden Schimmer der Glut. Unstete rote Schatten flackerten auf den schwarzen Ruinenwänden. Es war wie in Crema, vor so langer Zeit, als die Stadt brannte und starb. Doch diesmal war es Lupos Werk. Hatten die drei Ritter ihn unter den Sarazenen erkannt? Hatten sie sich deswegen lieber selbst in Brand gesteckt, als sich gefangen nehmen zu lassen?
    Lupo fühlte sich elend. Er dachte an Julia und Amizio. Er hatte sich immer vorgestellt, dass er sich erleichtert fühlen würde, wenn er seine Rache gehabt hatte. Dass die Geister der Toten in ihm endlich ihre Ruhe fänden. Aber nichts von all dem trat ein. Der langen Jagd folgte eine Leere, die noch bedrückender war als die Trauer. Was sollte er tun? Nach Italien zurückkehren, dem Papst berichten und eine neue Jagd beginnen?
    Seine Finger glitten über die Pferdedecke, die er auf dem kalten Boden ausgebreitet hatte. Ohne hinzuschauen, fand er den Raubvogel, der aus dem Himmel stürzte. Die Stickerei aus Frauenhaar war leicht von der groben Wolle zu unterscheiden. Alime und Zeynel. Er hatte die beiden seiner Rache geopfert. Und Mahmud und all die anderen, die ihn freundlich aufgenommen hatten. Ob der Alte sein Versprechen
wahrgemacht hatte? Stünde zum Morgengrauen, wenn das Tagwerk der Hirten begann, eine leere Schüssel für ihn neben dem Feuer?
    Der Falkner tastete nach dem kleinen Kästchen, in dem er die Rose aus Crema trug. Es war eine gute Nacht, um Abschied zu nehmen. Warm und mit einem weiten Sternenhimmel. Fast wie damals, als er seinen Weg begonnen hatte.
    Er stand auf und ging zu dem Bach, der im Westen des Tals zwischen den Felsen rann. Dort war Lupo noch bei Tage eine Stelle aufgefallen, an der wilde Rosen wuchsen. Hier wollte er seine Vergangenheit begraben. Mit bloßen Händen scharrte er eine kleine Mulde in den Sand und legte das Holzkästchen hinein.
     
    Erst am späten Nachmittag des nächsten Tages war die Glut in den Ruinen so weit abgekühlt, dass Lupo sich in die Trümmer des Lagerschuppens hineinwagte. Noch immer schwelten die schweren Deckenbalken, die zwischen die rauchgeschwärzten Mauern gestürzt waren. In der Mitte des Raums fand Lupo die beiden Ritter zusammengekrümmt und so von Flammen entstellt, dass sie kaum noch Menschliches an sich hatten. Beide trugen von den Flammen verformte Helme. Auch die verkohlten Kadaver dreier Pferde waren zu sehen.
    Zwei Sarazenenkrieger halfen Lupo, die Balken beiseitezuräumen, um die Leichen zu bergen und in Tücher zu hüllen. Lupo hatte drei schmale Gruben ausgehoben. Auch wenn sie seine Feinde gewesen waren, so sollten die Staufer ein christliches Begräbnis bekommen. Von Anno wusste Lupo, dass er in Crema gekämpft hatte. Wenigstens einen Schuldigen hatte er gerichtet! Während der langen Zeit auf
See hatte er mit allen Rittern gesprochen. Wären die Leichen nicht so unkenntlich, hätte er die Namen der Ritter in Steine ritzen können. Als er den Toten ihre Schwerter mit ins Grab legen wollte, fiel ihm auf, dass nur einer der Toten aus dem Lagerhaus ein Schwert getragen hatte. Hatte er die zweite Waffe übersehen?
    Mehr als eine Stunde suchte Lupo zwischen den Trümmern. Dabei entdeckte er auch die Reste einer dritten Leiche. Offenbar hatten die Staufer tatsächlich den Heiligen König gefunden, von dem sie gesprochen hatten. Auch ihn hatten sie lieber dem Feuer geopfert, als ihn den

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