Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
fiebrige Stirn.
»Ein Verwundeter aus den Kämpfen im Fürstentum Tripolis?«
»Ja!« Das mühsam gekrächzte Wort schnitt wie ein Dolch in Ludwigs Kehle.
»Ihr seid hier in guter Obhut.« Der Ordensritter deutete zu dem Banner, das über dem Eingang wehte. »Siehst du das weiße Kreuz des Friedens auf der blutroten Wallstatt des Krieges? Dies ist ein Hospiz des Ritterordens vom heiligen Johannes von Jerusalem. Es wurde erbaut, den Kranken und Erschöpften eine sichere Zuflucht zu sein.«
Der Bauer nahm das längliche Gepäckstück vom Karren und legte es auf die Straße. Fragend hob der Mönch die Brauen.
»Ein toter Freund«, röchelte Ludwig.
Der junge Ordensritter nickte verständnisvoll. »Für uns alle sind diese Tage voller Schmerz und Entbehrungen. Ich werde dafür sorgen, dass dein Freund eine angemessene Bestattung erhält.«
»Nein!« Der Ritter packte den Johanniter beim Arm. »Nicht … Er wollte … in heimischer Erde ruhen.«
»Tote gehören nicht unter die Lebenden. Es ist unsere Christenpflicht, sie zu bestatten. Ganz abgesehen davon würdest du auch kein Schiff finden, auf dem man eine Leiche an Bord nimmt. Das bringt Unglück!« Der Ordensritter lächelte nachsichtig. »Ich bin sicher, dass dein Freund ein tapferer Mann war, aber er hätte schon ein König oder ein Heiliger sein müssen, damit er eine Überfahrt bekommt. Vertrau mir, Gott erkennt die Seinen, ganz gleich, wo sie bestattet sind. Es gehört ein kleiner Friedhof zum Hospiz. Wir werden ihn dort heute noch zur letzten Ruhe legen.«
Ludwig wollte widersprechen, doch wie sollte er seinen
Protest vorbringen? Wenn er die Wahrheit sagte, dann würden die Johanniter die Reliquie behalten. Der König von Jerusalem und die Kirchenfürsten von Outremer hatten sich offen auf die Seite des Ketzerpapstes Alexander gestellt. Sie würden niemals dulden, dass der Kaiser eine der kostbarsten Reliquien der Christenheit erhielt.
Stumm sah Ludwig zu, wie der Leichnam aufgehoben wurde. Er war zu erschöpft, um Widerstand zu leisten, und zu überrumpelt. Nichts auf dieser Reise verlief wie geplant. Das war ihr Fluch! Er sah zu, wie weitere Träger die Leiche aufnahmen. Sie sahen verblüfft zu ihm auf. »Wir haben ihm Waffen und Rüstung abgenommen, um ihn tragen zu können«, stammelte Ludwig.« Er sah an den Gesichtern der beiden, dass das nicht Erklärung genug war. »Er war lange krank … Sehr ausgezehrt …«
Jetzt beugte sich einer der Träger vor und schnupperte neugierig an dem Deckenbündel. Der Leichnam verströmte immer noch den Wohlgeruch der Grabkammer. Der Träger legte die Hand an einen der Lederriemen, die das Bündel zusammenhielten.
»Er war ein Freund unseres Herzogs«, stieß Ludwig verzweifelt hervor, ohne zu wissen, ob es hier in Outremer überhaupt irgendwelche Herzöge gab. »Er hat einen Heiden kommen lassen, der hat ihn aufgeschnitten und die Eingeweide herausgeholt und ihn mit Ölen eingerieben … Damit er auf der langen Reise nicht verfault. Er sollte im Rheinland …«
Der Ritter, der den Befehl am Tor hatte, hob die Hand und schnitt Ludwig das Wort ab. »Er wurde also einbalsamiert. Eine seltene Kunst und, verzeih mir, eine nicht sehr gottgefällige Kunst. Es ist unser aller Schicksal, zu Staub zu
werden. Nur Heilige, auf denen auch über den Tod hinaus, das Auge Gottes ruht, sind davon ausgenommen.« Er winkte den Trägern. »Bringt ihn zu den anderen Toten.«
Der Ordensritter legte Ludwig tröstend eine Hand auf die Schulter. »Wir müssen unsere Kameraden ziehen lassen. Komm mit, du sollst sehen, wohin wir ihn bringen. Ich verspreche dir, er wird mit allen Ehren beigesetzt werden.«
Sie brachten den Heiligen in eine kleine Kapelle, wo, in Tücher gehüllt, noch drei andere Tote aufgebahrt lagen. Noch am selben Abend wurde der dritte König auf dem Gottesacker des Hospizes beigesetzt. Es war ein stilles Begräbnis. Die Ordensbrüder hatten sich um die drei anderen Gräber geschart, in denen Kameraden bestattet waren, die bei den Kämpfen im Fürstentum Tripolis ihr Leben gelassen hatten.
Der dritte König wurde in einen großen heidnischen Steinsarkophag gelegt, in dessen Deckel man ein Kreuz gemeißelt hatte. Ludwig musste all dem hilflos zusehen. Er hatte lediglich erreichen können, dass die Ordensritter den Leichnam nicht aus den Decken nahmen und so nicht bemerkten, von welch seltsamer Beschaffenheit der Tote war.
Ludwig stand vor dem offenen Grab. Er war so müde und verzweifelt, dass ihm nicht einmal
Weitere Kostenlose Bücher